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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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für dich gespielt. Du hast gesungen. Und dabei kam diese Erinnerung zurück.«
    Summer schwieg, aber sie roch wieder den Seewind und hörte
die fremdartigen Klänge des Instruments. Es wäre einfacher, wenn ich Anzej wirklich hassen und die mit ihm verbrachte Zeit bereuen könnte , dachte sie niedergeschlagen.
    »Ich habe lange über die Blüten nachgedacht«, fuhr Anzej fort. »Es gibt nur wenige Stellen im Nordland, an denen es sehr viele Winterbäume gibt. Am dichtesten wachsen sie im ersten Fjord und in den Tierläuferbergen. Ich musste nicht lange in den Chroniken von König Beras suchen, um herauszufinden, wem die Burgruine am Hang vor zwei Jahrhunderten gehört hat. Und ein Stück unter seiner Burg hatte er einen Winterbaumhain anlegen lassen. Unten am Strand waren Spuren im Schnee. Vielleicht hätte ich dich nicht gefunden, wenn du Schuhe getragen hättest. Aber die Abdrücke von Füßen mussten ja von einer Zorya stammen. Dann habe ich die Spuren am Steilweg gefunden. Der Rest war Glück und Instinkt.«
    Jetzt erst öffnete sie die Augen. Eine Träne versickerte im Fell, das ihr als Kopfkissen diente. Ihre Geisterfalter saßen an den Wänden und rührten sich nicht vom Fleck. Behutsam, um Loved nicht zu wecken, setzte sie sich auf.
    Anzej lehnte lässig an der Wand. Sein vorsichtiges Lächeln erinnerte Summer daran, dass er ihr einmal gefallen hatte und ihr Freund gewesen war.
    Und er hätte tatenlos zugesehen, wie ich Indigo küsse und sterbe! Er hat dich nicht einmal gewarnt.
    Endlich gewann der Zorn wieder die Oberhand. Lautlos glitt sie aus dem Bett und ging mit großen Schritten zu dem Durchgang in der Wand. Sie musste nicht einmal schauen, wohin sie trat, ihre Sohlen kannten jede Fuge und jeden Stein. Gefolgt von ihrem Schwarm, huschte sie durch den langen Gang und die Treppe hinauf. Sie sah sich kein einziges Mal nach Anzej um, wusste sie
doch, dass er ihr mit seinem lautlosem Schritt folgte. Auf der Mitte der Treppe blieb sie stehen und drehte sich zu ihm um. Er war so dicht vor ihr, dass sie zusammenschrak.
    »Tjamad«, sagte er leise. »Bitte hör mich wenigstens an. Ich …«
    »Du wusstest vom ersten Augenblick, dass ich sterben würde, sollte ich Lady Mars Befehl gehorchen. Was hättest du mir wohl noch zu sagen?«
    »Ja, ich wusste es«, erwiderte Anzej ruhig. »So wie alle anderen Zorya auch. Jeder von uns kennt den Preis für ein geschenktes Menschenleben. So ist das Gesetz der Zorya seit Anbeginn der Welt.«
    »Und wie praktisch, es auszunützen, dass ich mich an dieses Gesetz nicht erinnert habe.«
    »Hätte es etwas geändert?«
    Diese Kaltblütigkeit nahm ihr wieder einmal den Atem. »Alles hätte es geändert! Einfach alles! Dann hätte ich nämlich eine Wahl gehabt!«
    »Die haben wir nie«, sagte er sanft. »Und auch du hast dich entschlossen, deine Aufgabe zu Ende zu bringen.«
    »Und dabei zu sterben? Das würde euch so passen!« Sie musste sich klarmachen, dass ihre Stimme schon viel zu laut in dem alten Gemäuer hallte, und atmete krampfhaft tief durch.
    »Was willst du jetzt tun? Mich wieder zu Lady Mar schleppen? Versuch es nur! Und richte ihr und den anderen aus, dass ich Tors Indigo von ganzem Herzen ein langes Leben wünsche.«
    Es war ein Scheingefecht und sie konnte die Bitterkeit ihrer Worte beinahe schmecken, aber die Genugtuung, die sie dabei empfand, sie trotz allem auszusprechen, tat gut. Vielleicht bin ich wie Tellus, dachte sie . Ich brauche wenigstens die Illusion, eine Macht zu haben, die ich längst verloren habe.

    Anzej zog die Unterlippe zwischen die Zähne und senkte den Kopf.
    »Warten die anderen draußen?«, schleuderte Summer ihm entgegen. »Hat sie wieder ihre Lords geschickt, um mich einzufangen? Oder lässt sie sich diesmal dazu herab, selbst herzukommen?«
    »Lady Mar weiß überhaupt nicht, dass ich hier bin«, murmelte er. »Ich bitte dich nur, mir zuzuhören. Wenn du danach sagst, dass ich wieder gehen soll, dann gehe ich. Und ich werde Lady Mar nicht verraten, wo du bist.«
    Alles hätte sie erwartet, nur das nicht. Glaub ihm nicht , flüsterte ihre Katzenstimme, die sie schon so lange nicht mehr gehört hatte. Er lügt, um dich einzuwickeln.
    »Dann lass mal hören«, sagte sie vorsichtig. »Sag, was du zu sagen hast. Und dann verschwinde und lass uns in Ruhe.«
    Er schluckte schwer und strich sich mit müder Hand das Haar aus der Stirn. Zum ersten Mal fiel ihr auf, wie erschöpft er aussah. Selbst sein Flügelmantel wirkte … fahl?
    »Wir

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