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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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jeder hat genug Mut für dieses Geschäft. Aber vielleicht wäre euch ja fürs Erste auch mit einer billigen Passage gedient? Zwei Tage und zwei Nächte mit dem schnellsten Schiff direkt zum Kreidehafen auf der anderen Seite des Graumeers.« Diesmal erschien wie von Zauberhand ein Fächer von abgestempelten und mit Datum versehenen Fahrkarten in ihrer Hand. »Hier, Karten von Leuten, die ins Nordland wollten und es sich heute anders überlegt haben. Solche gibt es leider immer wieder. Eben noch wollen sie Söldner sein. Dann schnuppern sie am Hafen den ersten Hauch von Schießpulver und machen sich vor Angst in die
Hosen. Na ja, euer Glück! Ich kann euch die Plätze dieser Feiglinge verkaufen - nur noch morgen gültig, halber Preis! Und falls ihr doch noch angeheuert werdet, erzähle ich eurem neuen Herrn, dass ihr den vollen Preis bezahlt habt, und wir teilen uns den Gewinn, was haltet ihr davon?«
    »Bist du taub?«, fuhr Summer sie an. »Wir sind nur auf der Durchreise. Und wir fahren ganz bestimmt nicht nach Toljan!«
    Sie wollte schon aufspringen, aber Anzej hielt sie am Handgelenk zurück.
    »Wie viel?«, fragte er die Werberin. »Für zwei Fahrkarten?«
    Im ersten Moment war Summer sicher, sich verhört zu haben. Mit offenem Mund starrte sie Anzej an. Aber er sah nicht so aus, als hätte seine neue Sprache ihn im Stich gelassen. Im Gegenteil, er wirkte kühl und entschlossen, wie ein Spieler, der seinen Einsatz ganz genau kennt.
    »Was soll das?«, zischte Summer ihm zu.
    Ohne sie anzusehen, wiederholte er ganz ruhig die Frage: »Wie viel?«
    »Aha!«, rief die Frau triumphierend. Summer bildete sich ein, auch das gläserne Auge gierig aufleuchten zu sehen. »Endlich ein vernünftiges Wort! Dein Freund hier hat Mut und Schneid für euch beide, was? Wir kommen also ins Geschäft?«
    »Das kommt auf den Preis an«, erwiderte Anzej.
    »Nein, kommt es nicht!«, fuhr Summer dazwischen. »Wir reisen weiter. Noch heute!«
    Anzej warf ihr einen Blick zu, der Glas hätte schneiden können. Für einen Moment starrten sie sich nur an, Summer fassungslos und empört, Anzej so grimmig, dass sie erschrak. Etwas Hartes lag in seinem Blick, das sie an ihm nicht kannte und das sie irritierte. Etwas Kaltes, Schattiges, das ihn einen Lidschlag lang wie einen
Fremden wirken ließ. Als wäre das, was ich sehe, gar nicht seine richtige Gestalt. Aber das war natürlich absurd.
    Glasauge lachte. »So wie sie dich rumkommandiert, ist die Schöne da bestimmt deine Frau«, wandte sie an Anzej.
    »Schwester«, log er ungerührt. »Wie viel?«
    »Dreißig für eine Karte, falls deine Schwester nicht will. Für euch beide fünfzig.«
    »Vierzig.« Anzej griff nach Summers Tasche, in der sich ihr Geld befand. Das reichte!
    »Wage es nicht, das Geld auch nur anzurühren«, fauchte sie ihn an. Sie riss die Tasche an sich und sprang auf. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie die Kartenspieler sich nach ihr umdrehten.
    Hastig zog sie sich die Kapuze tiefer ins Gesicht und verließ die Kneipe. Erst draußen löste sich der heiße, feste Knoten der Wut in ihrem Bauch ein wenig. Vor ihr lag die Gasse, außerhalb des Lichtscheins, der durch die Fenster drang, schien die Welt aufzuhören. Unwillkürlich glitt sie zur Seite, dorthin, wo ihr ein Felsvorsprung etwas Sichtschutz gab. Die Wirtshaustür klappte, und Anzej trat mit seinem lautlosen Schritt an sie heran. Erst als er sie berührte, fuhr sie zu ihm herum.
    »Was sollte das eben?«, platzte sie flüsternd heraus. »Du hättest ihr tatsächlich das ganze Geld gegeben, das wir noch haben! Seit wann triffst du Entscheidungen, ohne mich zu fragen?«
    »Wenn hier jemand Entscheidungen trifft, ohne zu fragen, dann bist du es.« Er klang nicht weniger verärgert als sie. »Wie kommst du dazu, einfach zu bestimmen, dass wir keine Passage brauchen? Wir wollen doch nach Toljan! Und eine günstigere Überfahrt werden wir kaum bekommen.«
    »Hast du denn nicht gehört, was die Frau erzählt hat? In deiner Heimat herrscht Krieg! Wir können nicht dorthin!«

    »Warum nicht?« Es klang aufrichtig erstaunt, und ihr wurde wieder einmal klar, wie unterschiedlich ihre Welten trotz allem waren.
    » Warum? «, wiederholte sie fassungslos. »Wo lebst du eigentlich, über den Wolken? Hm, lass mich überlegen. Weil es gefährlich ist, in ein Kriegsgebiet zu reisen? Weil wir sterben können?«
    Anzej schien einen Moment ernsthaft darüber nachzudenken, aber dann zuckte er nur mit den Schultern. »Wenn es stimmt, was du

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