Aschenpummel (German Edition)
meiner und meinte, es wäre wohl besser, morgen weiterzumachen. Ich war derselben Meinung.
Er brachte mich nach Hause. Ich bemühte mich, geradeaus durch die Windschutzscheibe zu schauen, doch in Wirklichkeit schielte ich dauernd nach links. Sein Gesicht war so entschlossen, alles an ihm drückte Manneskraft und Selbstvertrauen aus. Er sah so völlig anders aus als der Pirat.
Vielleicht würden sich zehn von zehn Frauen für den Zahnarzt entscheiden, ich jedoch war die Elfte. Für mich war der Zahnarzt der Spatz und der Pirat die Taube oder so ähnlich. Als mir klar wurde, dass die dicke, ungeschickte Teddy Kis den schönen, begehrten Hubertus Strohmann gerade als »Spatz in der Hand« bezeichnet hatte, musste ich nach Luft schnappen. Ich lehnte den Kopf aus dem Fenster, hatte jedoch vergessen, das Fenster zu öffnen. Ich erschrak selbst über das laute »Klong«.
»Haben Sie sich was getan, Teddy?«
Ich spürte seine Hand auf meinem Knie. Ich schüttelte den Kopf, und die Hand fing an zu kneten. Da bekam ich es doch mit der Angst zu tun. Was wenn er sich jetzt wirklich auf mich stürzte? Ich konnte doch nicht – der Pirat … Seine Hand knetete weiter. Vielleicht stand er einfach auf Fett. Es gab doch solche Männer, oder? Die mästeten ihre dicken Frauen, damit sie noch dicker wurden und noch mehr zum Greifen da war. Ja, bestimmt war es so.
Und ich war dafür natürlich eine hervorragende Kandidatin. Erstens war ich von Natur aus dicklich, und zweitens erkannte doch ein Blinder, wie leicht ich zu beeinflussen war. Ein Mann wie der Doktor brauchte doch nur mit dem Finger zu schnippen und »friss« zu sagen, schon würde ich die Nusstorte in mich reinstopfen. Und noch ein Stück und noch ein Stück, Gott, ich war so hungrig, ich könnte in einer Torte baden. Und danach ein ganzes Wildschwein essen, so wie Obelix es am Schluss immer tat, das hatte ich schon immer gewollt. Ein goldbraun gegrilltes Wildschwein … in meinem Bauch gurgelte es.
Ich wurde stocksteif.
»Was war denn das?«, fragte der Zahnarzt und nahm die Hand von meinem Knie.
»Keine Ahnung … der Peugeot?« Da gurgelte es wieder. Ich hielt den Atem an. Aus dem Gurgeln wurde ein Grollen. Ich drückte die Hand auf meinen Bauch, spannte die Pobacken an, musste wahnsinnig dringend – verdammt! Ein Pups! Zum Glück ein leiser, aber das sind ja die schlimmsten! Ich presste meinen Zeigefinger auf den Fensteröffner. Der Zahnarzt ächzte. Dann würgte er.
»Meine Güte, Teddy, schließen Sie nur schnell das Fenster. Da draußen stinkt es ja bestialisch.« Er würgte noch einmal. »So was habe ich in meinem Leben noch nicht gerochen. Der Gestank muss direkt aus der Hölle kommen!«
In meinem Bauch stach es fester und grollte es lauter. Verzweifelt drückte ich meine linke Hand dagegen, während meine rechte zunehmend panisch den Fensterknopf drückte.
Lieber Gott, bitte, mach, dass es aufhört, bitte. Ich verspreche, ich werde nie wieder, nie wieder Abführmittel nehmen! Das Stechen wurde tatsächlich leichter, sogar das Grollen senkte die Lautstärke. Wohl deswegen, weil die ganze Schose in meinem Darm weiter in Richtung Ausgang gewandert war. Da wollte eindeutig was raus. Dringend. Aber keine Luft. Material .
»Woran denken Sie, Teddy?«
»An einen Sommer wie damals«, quetschte ich hervor und ließ das Fenster erneut herunter.
Wir fanden einen Parkplatz direkt vor meinem Haus. Ich stieß die Tür auf. Der Zahnarzt legte seine Hand auf meinen Arm. »Ich fand es sehr schön heute Abend, Teddy.«
Ich versucht zu lächeln. Wenn ich nicht gleich auf ein Klo kam, dann –
»Und ich finde Sie schön, Teddy.«
Ich schluckte. Und musste vor lauter Aufregung direkt wieder pupsen. »Bis morgen dann«, hauchte ich und stieg aus dem Wagen – heilfroh, dass ich das Fenster noch mal geöffnet hatte.
Ich rannte über die Straße und galoppierte das Stiegenhaus hoch.
Nie wieder! Nie, nie wieder Abführtabletten! Eineinhalb Stunden hatte es gedauert, bis ich endlich unter die Dusche konnte. Ehrlich, das war es nicht wert.
Nach der Dusche rekapitulierte ich noch einmal die Geschehnisse des Abends. Der Zahnarzt fand mich schön, das sagte er zumindest. Warum musste mir das so imponieren? Da hatte ich den feingeistigen Piraten, der die Geschichte von Hans und Frank Sinatra in all ihrer großartigen Bedeutung verstanden hatte, der sensibel und tiefgründig war, den ich seit vier Monaten liebte, den ich heiraten wollte, für dessen Eltern ich der Welt
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