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Aschenputtelfluch

Aschenputtelfluch

Titel: Aschenputtelfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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riss ich das Fenster auf. Es war frisch heute Nacht. Die Luft kribbelte auf meiner Haut. Als ob in meinem Blut Eiskristalle schwammen, die sich Richtung Herz bewegten.
    Und dann sah ich es.
    Ein großer dunkler Fleck auf dem Bettlaken. Er hatte sich in das Weiß des Stoffes gefressen. Und auf dem Bo den lag etwas Schwarzes, das mich frösteln ließ.
    Wahnsinn – Gedanken können durcheinanderlaufen ohne Richtung, ohne Ziel, ohne Ende. Irgendwann will man dem Grübeln, dem Gefühl der Beunruhigung, die sich zur Angst steigert, ein Ende bereiten. Dann tut man genau das, wovor man sich fürchtet. Nur deshalb öffnen Leute in Filmen verschlossene Türen, folgen einem Geräusch, betreten dunkle Keller. Obwohl die Gefahr greifbar scheint.
    Meine Kehle schnürte sich zusammen, als meine Hand sekundenlang in der Luft schwebte, bis ich schließlich nach der Bettdecke griff. Auch der Stoff schien eiskalt. Und schwer. Wie aus Stein. Mit einem Ruck zog ich ihn zu rück.
    Wäre es doch eine riesige schwarze Spinne gewesen, die über das weiße Laken flüchtete; meinetwegen auch ei ne dicke fette Kröte; sogar eine grell gemusterte Schlan ge, die mir entgegenzischte.
    Aber nicht das!
    Bitte nicht das!
    Jeder Mensch besitzt eine Achillesferse oder, einfach ge sagt, eine Schwachstelle.
    Mein Herz hämmerte schneller, dumpfer, mächtiger als die Bässe, die aus der Aula drangen.
    My Apocalypse von Metallica und eine dröhnende Stimme grölte Deadly vision .

KAPITEL 18
    D er schwarz gefiederte Kopf des Raben ruhte auf dem un teren Teil des Kopfkissens, dessen Stoff von dessen Blut durchtränkt war. Seine düster glänzenden Augen stierten mich drohend an. Im ersten Moment sah es aus, als sei das Genick des Vogels gebrochen, doch nach dem zweiten Blick begriff ich: Jemand hatte dem Raben die Kehle durch geschnitten. Das klaffende Fleisch des losgetrennten Kop fes war zerfetzt, als sei das Messer nicht scharf genug gewesen, um dem Tier mit einem einzigen gezielten Schnitt das Sterben zu erleichtern.
    Ich begann, am ganzen Körper zu zittern, und rutschte nach unten. Meine Finger wollten sich schon am Bettrah men festkrallen, doch als die Hand sich dem Rabenkopf näherte, zuckte ich angewidert zurück. Ich ließ mich ein fach fallen.
    Meine Zähne schlugen aufeinander. Der Gestank im Zimmer – er wurde zum endgültigen Geruch des Todes. Mir wurde schrecklich übel.
    Mein Gott! Auf meinem Laken lag der grausam enthaup tete und zum Teil bereits verweste Kopf eines Raben. Tote Augen starrten mich an.
    Ich wollte mich vom Bett wegschieben. Doch meine Beine schienen nicht mehr zu existieren, als hätte sie jemand abgeschnitten, als seien sie nicht mehr Teil meines zitternden Körpers.
    Ich blieb sitzen.
    Wie erstarrt.
    Es musste bereits nach zehn Uhr sein. Die Party sollte um halb elf enden, dann würden alle zurückkommen. Und tatsächlich vernahm ich im nächsten Moment Schritte im Flur. Die Tür zum Nachbarzimmer wurde aufgerissen.
    Hektisches Lachen ertönte. Ich hörte es durch die Wand, aber es klang seltsam gesichtslos, wie auch die Stimme, die jetzt rief: »Sorry, aber das Bett war gerade frei!« Erneu tes Lachen.
    Hatte Sonja Männerbesuch? Sonja?
    Im nächsten Moment fiel etwas zu Boden und jemand lachte erneut auf. Die Tür fiel ins Schloss. Schritte entfern ten sich.
    Die Spannung war mit den Händen greifbar. Im nächsten Moment erklang lautes hilfloses Schluchzen, ein Weinen, das nichts gemein hatte mit Sonjas Hysterie, wenn sie heulte. Nein, in diesen Tränen lag echter Schmerz, eine tiefe Verzweiflung, wie ich sie selbst empfand.
    Unwillkürlich faltete ich die Hände und betete, dieses Weinen möge endlich aufhören. Doch als es tatsächlich still wurde, fühlte ich eine Leere in meinem Inneren, die mich völlig ausfüllte. Dies alles war zu viel. Erst Nikolaj, der spurlos verschwunden war, dann das hier – ich konnte nicht mehr, ich war am Ende.
    Ich weiß nicht, wie viel Zeit verging, doch dann stieg ein Gedanke in mir auf, der immer mächtiger wurde, bis er all mein Denken beherrschte. Kira hatte aufgegeben. Kira hatte es nicht mehr ausgehalten. Kira hatte den einzigen Weg gewählt, der ihr blieb.
    Im gleichen Moment spürte ich, wie die Kraft in meine Beine zurückkehrte. Ich schloss kurz die Augen, löschte das Bild des toten Raben. Dann erhob ich mich mühsam.
    Nein! Sie würden mich nicht kleinkriegen. Mich nicht! Ich würde nicht aufgeben wie Kira! Und das war ein Schwur!
    Ich musste die Spuren beseitigen, das

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