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Aschenputtelfluch

Aschenputtelfluch

Titel: Aschenputtelfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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Bett frisch über ziehen und vor allem den Vogel loswerden. Mir blieb also nichts anderes übrig, als den Rabenkopf anzufassen. Vor Ekel schüttelte ich mich. Der Wunsch, mich zu übergeben, war nur schwer zu unterdrücken. Ich hielt die Luft an, griff nach einem Handtuch und warf es über die toten schwar zen Augen. Dann zog ich eine Plastiktüte aus dem Schrank, steckte beide Hände hinein. Immer wieder hielt ich die Luft an. Der Geruch war unerträglich. Automatisch atmete ich durch den Mund.
    Nein, du musst nicht kotzen, Jule, nein, bitte nicht jetzt! Und du wirst auch nicht ohnmächtig! Denk an Daddy. Er hat viel Schlimmeres gesehen und hat es überlebt!
    Ich trat ans Bett, schloss die Augen und versuchte, mir etwas anderes vorzustellen als die Realität. Doch ich spür te den Kopf zwischen meinen Fingern. Denk nicht nach, murmelte ich vor mich hin, denk nicht nach. Es könnte ir gendetwas sein – ein Stoffball, ein Wollknäuel, altes Fell.
    Als das Bündel in die Plastiktüte rutschte, atmete ich erleichtert auf. Im nächsten Moment löste ich bereits das La ken von der Matratze, riss den Überzug von der Bettdecke und quetschte es in die Alditüte. Erst danach schloss ich kurz die Augen und griff nach der schwarzen Feder vor meinem Bett. Es kostete mich eine unheimliche Überwindung, als ich alles zusammen in meine Sporttasche stopfte und das Ganze im Schrank versteckte, die Tür fest verschloss und den Schlüssel abzog.
    Es war vorbei! Erleichtert atmete ich auf. Psychologen nennen solches Verhalten Verdrängung und finden das ganz und gar nicht gut. Aber die hatten vermutlich noch nie den abgetrennten Kopf eines Vogels in ihrem Bett ge funden.
    Und dann schoss mir der Gedanke durch den Kopf – war es das, was Kira in ihrem Bett gefunden hatte??

KAPITEL 19
    I m Zimmer war es kalt. Doch lieber erfror ich, als diesen Geruch nach Blut und Moder zu ertragen, den – wie ich mir einbildete – mein Kleiderschrank am nächsten Mor gen verströmte.
    »Sag mal, bist du total bescheuert?« Meg stand in Bo xershorts und T - Shirt vor dem Fenster und knallte es mit einem Ruck zu. »Willst du mich umbringen? Reicht es nicht, wenn hier schon einer sterbenskrank ist?«
    Nikolaj!
    »Wie geht es ihm?«, fragte ich. »Wie geht es Nikolaj?«
    »Beschissen, was denkst du!«
    »Wo ist er?«
    »Im Krankenhaus!« Es klang, als sei ich schuld.
    Im Krankenhaus? Aber was hatte er denn? Konnte mir nicht irgendjemand sagen, was hier los war?
    Nein, konnte niemand. Wollte niemand.
    Draußen auf dem Flur ging das morgendliche Wettren nen um die Duschen los. Meg stapfte zu ihrem Schrank di rekt neben meinem. Bemerkte sie den Gestank nicht? Oder wusste Meg von der ganzen Sache, hatte sie selbst angezettelt und ahnte daher, was dieser süßliche Geruch nach Blut bedeutete?
    Aber mir schien sie unverändert. Ihre schlechte Laune am Morgen war normal. Sie riss die Schranktür auf, zog frische Unterwäsche hervor, griff nach Handtuch und Waschbeutel und verließ, ohne mich weiter zu beachten, das Zimmer.
    Im nächsten Moment sprang ich aus dem Bett und zog die Plastiktüte aus der Sporttasche. Mir war plötzlich klar, was ich tun musste. Was hätte ich davon, die Ange legenheit zu melden? So oder so würde ich die Schule verlassen müssen. Ich wäre eine Verräterin – anderer seits, genau das dachten sie schließlich über mich. Nein, es musste einen anderen Weg geben. Wenn ich diese Sa che, diese widerliche, ekelhafte Tat, einfach ignorierte, den Mantel des Schweigens darüber deckte, würde sie – wer auch immer es sein mochte – mein Verhalten total ir re machen.
    Ich riss das Fenster auf und ließ die Plastiktüte fallen. Sie schlug am Boden auf.
    Ich blickte nach unten. Im Gebüsch war nichts zu erken nen.
    Danach fühlte ich mich frei. Als hätte dieser unnatürlich verdrehte Kopf, diese starren Augen und das blutver schmierte schwarze Gefieder auf meinem Kopfkissen nie existiert.
    Mir fehlte jeglicher Appetit, daher verzichtete ich auf ein Frühstück. Ungewaschen und mit dem Gefühl, Blut an den Händen zu haben, betrat ich direkt nach Johanna, der Nonne, das Klassenzimmer. Wir waren die Ersten. Doch die Nonne ignorierte mich und kaute gierig auf einem ihrer langen Zöpfe herum. Jeden meiner Mitschüler, der he reinspazierte, musterte ich eindringlich, während ich gleichzeitig tat, als wiederholte ich Lateinvokabeln. Corvus – der Rabe; sanguis – das Blut; lumen – das Auge, mors – der Tod.
    Pink und Trixie kamen zusammen

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