Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aschenputtelfluch

Aschenputtelfluch

Titel: Aschenputtelfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
Vom Netzwerk:
Tod... nein, der Text war anders.
    »Halt dich fest!«, hörte ich Sonja hysterisch schreien. »Halt dich bloß fest!«
    Am liebsten hätte ich geantwortet, was glaubst du, was ich hier mache, aber ich brauchte alle Kraft, um nicht los zulassen – so verführerisch es auch schien. Denn langsam ging mir die Kraft aus und jetzt wünschte ich mir wirklich, einfach aufzugeben und nach mir die Sintflut.
    Hätte ich wirklich irgendwann losgelassen?
    Hätte ich aufgegeben?
    Ich garantiere für nichts. Jedenfalls kam mir keine göttli che Stimme zu Hilfe, sondern eine andere.
    »Ich komme!«, rief jemand über mir und es klang nicht nach Sonja.
    Ich wagte nicht, den Kopf zu heben, wagte überhaupt nicht, mich zu bewegen, stellte das Atmen komplett ein. Lebte von den Luftreserven in meiner Lunge. Meine Arme entwickelten eine Stärke, die Mrs Feldwebel entzückt hät te.
    Aber nicht lange und ich fühlte erneut, wie die Kraft nachließ. Durchhalten, festhalten, überleben, weiterle ben! Hoffen, nicht verzweifeln und vor allem – nicht den Teufel an die Wand malen! Der hat hier nichts zu su chen!
    Dann änderte sich plötzlich alles.
    Ich hörte Schreie, das Heulen von Sirenen und dann eine Hand, die meinen rechten Unterarm umklammerte.
    »Du schaffst das.« Die Stimme klang wie die von Nikolaj und das war schlimm. Vermutlich war das schon der Über gang ins Delirium. Aber diese Hand – sie war so warm, fühlte sich so real an.
    Dann drang wieder die Wirklichkeit in meinen Kopf: Ni kolaj ist im Krankenhaus! Es geht ihm schlecht! Sehr schlecht!
    Aber warum sagte seine Stimme – und sie hörte sich wirklich an wie er – so stinknormale Sätze wie »Die Feuer wehr ist da! Hörst du mich, Jule? Gleich ist es vorbei.«
    Eine Hand schob sich über meinen Rücken und umklammerte mich. Ein dumpfes Geräusch ertönte, Klappern, Stimmengewirr. Mein Kopf schmiegte sich an das Dach. Ich war nur noch müde und wollte schlafen. Dann spürte ich die Wärme eines anderen Körpers. Ich schloss die Augen und hätte sie nie wieder geöffnet, hätte nicht neben mir der Kopf des Raben gelegen, hätten mich nicht seine toten Augen angestarrt, als wollte er mir sagen: »Mach nicht schlapp! Du nicht!«
    Ich spürte, wie ich nach unten rutschte. Und hatte keine Kraft, mich zu wehren. Überließ mich der Schwerkraft. Gravitation, verbesserte ich mich und dachte gleichzeitig: Scheiß auf Physik!
    »Gleich bist du in Sicherheit!«
    Schon wieder diese Stimme – sie klang verdammt noch mal nach Nikolaj!
    »Nikolaj?«, murmelte ich automatisch.
    »Ja, ich bin hier!«
    Scheiß drauf, ob das die Wirklichkeit war oder eine Wahnvorstellung. Der Gedanke war beruhigend. Nicht nur das. Er war Halt.
    Genieße es einfach, dachte ich.
    »Gott sei Dank, du bist da!«
    »Gott sei Dank hast du es gleich geschafft.«
    »Und du?«
    »Ich bin angeseilt.«
    »He, Free Solo ist saucool.«
    »Scheiß drauf.«
    »Scheiß drauf.«
    Er lachte. Nikolajs Lachen war warm. Ich hörte ihn so gerne lachen. Es klang wie Musik.
    Und dann befahl er mit ernster Stimme: »Bewege dich nicht. Jemand kommt jetzt hoch und schnallt dich fest.
    Dann bekommst du deine erste Flugstunde. Also keine Mätzchen, okay?«
    »Klar doch«, murmelte ich, »fliegen! Das habe ich von den Raben gelernt!«

KAPITEL 2 4
    D en Rest erzählte man mir später .
    Ein Feuerwehrmann schnallte mich an einem Seil fest und ich wurde durch die Luft gewirbelt.
    Erwachte erst wieder, als ich in eine Decke gewickelt auf einer Liege zum Krankenwagen getragen wurde.
    Bildete ich es mir ein oder war es Meg, die unter dem Kastanienbaum stand und rauchte?
    Das allein war ja nichts Besonderes, aber dass sie die Hand hob und mir zuwinkte – das konnte nur ein Traum sein.
    Emilia stürzte auf mich zu und redete ununterbrochen auf mich ein: »Was hast du dort oben gemacht? Wolltest du wirklich springen? Wie Kira?«
    Schließlich zog Frau Strum sie von meiner Seite, nahm meine Hand und sagte: »Ich werde deine Eltern anrufen.«
    »Nein«, widersprach ich, »bitte nicht!«
    Ich hatte wirklich die Illusion, sie würden es nie erfahren.
    Aber sie schüttelte nur den Kopf.
    Ich seufzte. Wie sollte ich das Mammi erklären?
    Sie würde darauf bestehen, dass ich Ravenhorst verließ, aber ob ich das wollte...?Ich war kein Kind mehr, nach dieser Sache sowieso nicht – und das bedeutete, die Mauer zwischen meinen Eltern und mir war höher als je zuvor. Es gab Dinge, die würden sie nie verstehen. In tausend Jahren nicht! Sie standen auf

Weitere Kostenlose Bücher