Aschenwelt
aufschreiben. Es drängt heraus. Ich weià auch nicht.«
»Tu das. Ich lass dich so lange in Ruhe.«
Ein Tag und eine Nacht komplett gelöscht. Noch dazu geriet ich nun völlig unabsichtlich in die Aschenwelt, entweder nachts, wenn ich träumte, oder mitten am Tag. War es ein Tagtraum gewesen? Oder war ich ohnmächtig? Oder war es gar â real? Ich wurde verrückt. Es war definitiv nicht normal, mitten am Tag plötzlich in einer Parallelwelt aufzuwachen, und dann auch noch vergessen zu haben, was man dort in den letzten vierundzwanzig Stunden gemacht hatte. Etwas war schräg in mir, und ich wollte dem auf den Grund gehen. Alleine. Uschasnik brauchte ich dazu nicht.
Zuvor hatte ich allerdings andere Sorgen. Anne musste gestern vergeblich auf mich gewartet haben. Als ich Dr. Uschasniks Praxis verlieÃ, zog ich mein Telefon aus der Tasche. Immer noch keine Nachricht von Anne. Ich schickte ihr eine weitere SMS. Treffen gleich. Grünstreifen. Ich wollte nicht nach Hause. Auch wenn ich wusste, dass meine Mutter wahrscheinlich schon die Polizei gerufen hatte, um nach mir zu suchen. Als ich klein war, das letzte Jahr im Kindergarten, hatte sie das schon einmal gebracht. Dabei war ich nur für einen Nachmittag verschwunden gewesen â und, na gut, die halbe Nacht. Das Abenteuer mit meinem Stoffhasen auf dem Dachboden dauerte eben länger. Bis irgendwann mein Vater auftauchte und mich gewaltsam ins Bett steckte. Meine Mutter war ganz bleich gewesen und hatte verheulte Augen. So wie jetzt gerade bestimmt wieder. Ich zuckte die Achseln. Wer viel weint muss nicht so oft aufs Klo.
Grünstreifen. Auf Anne warten.
Mein Minipark sah immer noch so aus wie bei meinem letzten Besuch. Das Gras kurz und niedergetrampelt. Vermutlich musste es nie gemäht werden. Entweder es wurde gleich zertreten oder es erstickte an den Abgasen, die es von beiden Seiten zustanken. AuÃerdem bekam es kaum Licht ab, da die Alleebäume das meiste schon vorher schluckten und kaum etwas durch ihre Blätterkronen hindurchlieÃen. Hundekot lag wie Tretminen herum, halb zerfledderte Plastiktüten, Fastfoodbecher, Kippen ohne Ende und benutzte Tampons und Pariser. Kurz, ein Paradies. Der Gegenentwurf zu den blitzblanken Parks und den Einkaufsmeilen der Stadt und unserem spieÃigen Villenviertel. Ich fühlte mich hier wohl. Die meisten würden mich für verrückt erklären. Mensch Jo! Geh doch an den Strand! Runter an den Fluss! Für was ist der denn da! Keine Lust. Es war nicht die Zeit für Romantik.
Ich setzte mich auf meinen Platz und wartete auf Anne. Währenddessen grübelte ich weiter darüber nach, was in den letzten Stunden mit mir geschehen war. Ich erinnerte mich, wie ich in die Bahn stieg, ein Knall, und wie sich dann plötzlich alles veränderte. Und das ohne Hanf, und ich war wach. Mitten am Tag geschah es. Einfach so. Schnipp. Zerstörte Bahn, mordende Teufel, und dann die Stufen vor Uschasniks Praxis. Was war dazwischen? Was war nur geschehen? Fragen ohne Antworten. Es blieb schwarz in meinem Kopf. Dagegen musste ich etwas tun. Gras rauchen. Vielleicht öffnete sich dann der Lappen in meinem Gehirn, worunter die vergangenen Stunden begraben lagen. Ich packte meinen Beutel aus und begann, mir einen Joint zu bauen.
Zuerst rollte ich mir aus einem Stückchen Pappe einen kleinen Filter. Dann klebte ich drei Papierchen so aneinander, dass sie ein gröÃeres ergaben, etwas angeschrägt, das überschüssige Papier riss ich ab. Vorsichtig legte ich ein Röllchen Tabak hinein, zum Filter, dann bröselte ich etwas Marihuana darüber. Der Duft stieg mir in die Nase und ich konnte es kaum erwarten, es endlich zu rauchen. Ich faltete alles zusammen, drehte das Papier zwischen den Fingern, bis es die perfekte konische Form hatte, leckte den Klebestreifen, drehte weiter, bis alles verklebt war und drückte am oberen Ende die losen Papierenden nach innen. Fertig.
Ich wollte mein Kunstwerk gerade anzünden, als sich ein Mann zu mir setzte. Mir blieb fast das Herz stehen, und ich konnte meinen Joint gerade noch rechtzeitig verstecken.
»Hi«, sagte der Typ, als kannte er mich, oder als ginge er davon aus, dass ich ihn kannte.
Ich schaute ihn wortlos an. Ich hatte keine Lust, neben einem wildfremdem Kerl zu sitzen, oder mit einem gar ein Gespräch anzufangen, der mich so frech von meinem Rausch abhielt.
»Geiles Wetter heute, nä?« Der Typ
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