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Aschenwelt

Aschenwelt

Titel: Aschenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timon Schlichen Majer
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nickte dabei, als stimmte er sich selbst zu. Ihm fehlte ein oberer Schneidezahn, wie eklig.
    Ich schwieg mich aus und betrachtete ihn aus dem Augenwinkel. So ganz unsympathisch erschien er mir gar nicht. Nur die Zahnlücke fand ich nicht sonderlich ansprechend. Er sah punkig aus, mit seinen zerwuselten Haaren, seinen absichtlich unordentlichen Klamotten und seinen Tattoos auf den Unterarmen. Unordentlich aber leidlich gepflegt. So wie ich selbst. Das gefiel mir.
    Â»Geile Haare«, sagte er. »Und die Nadel – Respekt!«
    Â»Danke.«
    Er kratzte sich am Unterarm, wo sich eine Schlange um einen Rosenstock wand.
    Â»Biste oft hier?«
    Â»Ja, fast jeden Tag.«
    Â»Finds geil hier«, sagte er. »So schön schmutzig, und der Duft der Stadt, und doch irgendwie Natur.«
    Ich war überrascht. Hier teilte jemand meine Vorlieben.
    Â»Und wo wohnste?«
    Ich nannte ihm meinen Stadtteil.
    Â»Ups. Lauter reiche Säcke dort.«
    Ich hob eine Schulter. »Ich schlaf da ja nur. Weil ich es mir noch nicht leisten kann, von zu Hause auszuziehen.«
    Er lachte wieder. Sein Lachen hatte etwas an sich, das mir gefiel, es klang so fröhlich und unbeschwert. Oh Gott, Jo! Das ist ein Kerl!
    Â»Brauchst übrigens nicht zu verstecken.« Der Typ nickte in Richtung meiner Tasche.
    Â»Was?«
    Â»Na, die Tüte.«
    Ich schaute ihn misstrauisch an.
    Â»Bist du ’n Bulle?«
    Er lachte wieder. »Seh ich aus wie einer?«
    Â»Keine Ahnung, wie die in Zivil aussehen.«
    Â»Schon mal einen getroffen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Â»Heute auch nicht.« Er grinste. »Bin nämlich keiner.«
    Ich nickte. Dann holte ich meinen Joint hervor und bot ihm an, mitzurauchen. Anne war immer noch nicht da, und alleine rauchen war ziemlich öde. Aber ein kleines schlechtes Gewissen beschlich mich, da ich zum ersten Mal mit einem Fremden und nicht mit Anne etwas rauchen wollte. Aber sie war selbst schuld. Wenigstens einmal konnte sie doch auf eine meiner unzähligen Nachrichten antworten!
    Â»Ich hab was besseres«, sagte der Typ.
    Ich schaute ihn fragend an.
    Â»Knallt besser, und macht mehr Spaß.«
    Â»Was soll das sein?«, fragte ich. »Stärkeres Gras?«
    Â»Sowas ähnliches.« Er schaute sich kurz nach allen Seiten um und zog dann ein kleines Lederbeutelchen aus seiner Jackentasche. Er schüttelte ein kleines silbernes Pfeifchen auf seine Hand, und noch etwas, das in Alufolie eingeschlagen war.
    Â»Ist das – Heroin?« Ich schluckte. Mit harten Drogen wollte ich nichts zu tun haben.
    Â»Nein.« Der Typ kicherte. »Heroin spritzt man. Das Zeug hier raucht man. Und man braucht nur ganz wenig davon. Dafür setzt die Wirkung sofort ein und ist tausendmal geiler als Gras. Und genauso ungefährlich.«
    Ich musterte sein Pfeifchen.
    Â»Aber Heroin kann man auch rauchen, hab ich mal gehört.«
    Â»Glaub mir, das ist kein Heroin. Okay? Vertrau mir. Das ist harmloses Zeug. Aber geil.«
    Â»Hmm«, machte ich.
    Der Typ hob sein Pfeifchen in die Luft und betrachtete es von allen Seiten. »Weißte«, sagte er dann. »Ich hab früher auch Gras geraucht. Aber dann hab ich das hier entdeckt. Und seither will ich nichts anderes mehr. Alles ist so viel farbiger, so viel heller, so echter, so viel intensiver und einfach viel geiler als alles andere. Und der Sex! Ich sag’s dir. Einfach nur geil!« Er schnalzte mit der Zunge und grinste in die Baumkrone über uns. Sein Pfeifchen lag inzwischen in seinem Schoß.
    Ich wurde neugierig und warf meine Bedenken über Bord. Ich wollte es ausprobieren. Einmal schadet nicht. Vielleicht sollte es so sein. Der Kerl wurde mir geschickt, um endlich eine ernsthafte Droge kennenzulernen. Vielleicht taugte bei mir normales Gras nichts mehr.
    Ich hätte aufstehen, weit wegrennen und niemals mehr auf diesen Grünstreifen zurückkehren sollen. Aber das wusste ich an diesem Tag noch nicht.
    Der Typ faltete die Alufolie auseinander. Darin eingewickelt lagen kleine Bröckchen, hellgelb, sahen aus wie getrocknetes Baumharz. Ein kleines Stück davon legte er auf das Sieb im Pfeifenkopf und bot mir die Pfeife an. Ich setzte sie an die Lippen. Er blickte mich fragend und abwartend an. Ich nickte und er entzündete das Bröckchen mit seinem Feuerzeug. Ich zog und inhalierte den Rauch. Das kleine Steinchen knackte, als es verbrannte, wie harziges Holz im Feuer. Der Rauch schmeckte nach

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