Aschenwelt
seines Lebens.
»Wie gehtâs dir jetzt gerade?«, fragte Uschasnik weiter.
»Gut«, sagte ich. AuÃer dass ich heulen und schreien könnte. Aber nicht vor dir.
»Wie geht es Anne?«
Ich kniff die Augen zusammen. »Auch gut.«
»Hat sie sich auch die Haare gefärbt?«
»Nein, ihre sind auch so schön genug.«
»Was sagen eigentlich deine Eltern zu deiner Veränderung? Meine waren damals gar nicht begeistert.« Er lachte auf.
»Meine Mutter findet es ok«, log ich.
»Und Anne?«
»Die findet es geil.«
Uschasnik lächelte und nickte, während er wieder eine Weile schwieg.
Was war in den letzten vierundzwanzig Stunden!
»Johanna, ich würde dir gerne ein Frage stellen. Du musst nicht auf sie antworten, wenn du nicht willst. Du sollst aber wissen, dass alles, was wir hier bereden zwischen uns bleibt. Niemand anderes wird jemals davon erfahren.«
»SchieÃen Sie los.« Ich muss zu Anne.
Uschasnik nickte abermals. »Deine Freundin Anne. Sie ist mehr als nur eine Freundin für dich, habe ich recht?«
Ich schaute ihn an und überlegte, ob ich ihm darauf antworten sollte, und wenn ja, was ich sagen sollte.
»Wie gesagt, du musst nicht darauf antworten.«
»Sie ist mehr als nur eine Freundin. Aber ich werde nicht in Einzelheiten gehen.«
»Das musst du auch nicht. Für mich und meine Arbeit ist es nur wichtig, dein Verhältnis zu ihr besser zu verstehen.« Er atmete einmal tief durch. »Was denkt Anne darüber?«
»Worüber?«
»Ãber eure Beziehung.«
»Sie liebt mich und ich liebe sie. Fertig.«
»Und was denken die anderen über euch?«
»Nichts Gutes. Aber das ist mir scheiÃegal.«
»Woran machst du das fest, dass sie nichts Gutes über euch denken?«
Ich lachte trocken. »Das muss ich an nichts festmachen. Ich seh es jeden Tag in ihren Gesichtern. Manche verbergen ihre Abneigung nicht, und wieder andere zeigen ihre ekelhafte Geilheit unverholen. Aber sie sind mir egal, und Anne auch. Vollidioten.«
»Gehst du zur Schule?«
»Ab und zu. Wenn ich Lust habe.« Gelogen.
»Wie geht es dir dort?«
»Gut. Solange Anne bei mir ist.«
»Geht Anne jeden Tag in die Schule?«
»Nein. Nur wenn ich hingehe. Wenn wir nicht gemeinsam gehen, dann bleiben wir bei mir und machen uns einen schönen Tag. Und falls jemand Stress macht â die können uns mal.«
Uschasnik nickte wieder langsam. Leichter Ãrger regte sich in mir. Dieses verfluchte Zeitlupennicken. Ich rutschte auf dem Sessel nach vorne. Langsam hatte ich genug von unserer Sitzung. Ich musste nach Anne sehen. Womöglich wartete sie immer noch auf mich in unserem Minipark. Seit über einem Tag.
»Willst du über etwas bestimmtes reden?«, fragte Uschasnik.
»Ãber was?«
»Sag du es mir.«
Ich schaute auf die Uhr, so theatralisch, dass er es sehen musste. »Ich muss los.«
»Sehen wir uns wieder?«, fragte Uschasnik.
»Müssen wir?«
»Nein, müssen wir nicht. Aber es würde mich freuen.«
»Mal sehn«, sagte ich.
Jos Arm schmerzte. Sie musste den Stift zur Seite legen und ihre Hand ausschütteln. Es war schon hell drauÃen, sie hatte die ganze Nacht durchgeschrieben.
An ihrer Seite regte sich Nadeschda. Sie gähnte und streckte sich, wünschte einen guten Morgen, schaute erst ihr Blankobuch und dann Jo an.
»Entschuldige«, sagte Jo. »Ich kauf dir ein neues.«
»Was machst du denn?«
»Schreiben.«
»Das seh ich auch. Aber WAS schreibst du da?«
»Was damals passiert ist.«
Nadeschda brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. »Das ist ⦠gut!«
»Ich weià nicht.«
»Schon fertig?«
»Noch lange nicht. Hab erst den Anfang.«
»Und wie geht es dir damit?«
»Bisher noch ganz gut.«
»Darf ichs lesen?«
Jo überlegte eine Weile, bevor sie darauf antwortete. Sollte sie überhaupt weiterschreiben? Die Angst, dass die Teufel und alles wieder zurückkehren könnten, schnürte ihr die Kehle zu.
»Ich weià es noch nicht«, sagte Jo.
»Okay«, meinte Nadeschda. »Kein Problem. Ich finds gut, dass du es aufschreibst. Wenn du der Meinung bist, dass ich es lesen sollte, dann mach ich das gerne. Wenn nicht, auch okay.« Sie streckte sich noch einmal. »Hunger?«
Jo schüttelte den Kopf. »Ich muss noch ein bisschen was
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