Aschenwelt
Ich konnte es riechen. Jemand war hier, der nicht hier sein sollte. Aus der Küche drangen Stimmen. Die eine erkannte ich als die meiner Mutter, und auch die andere war mir nur allzu bekannt. Was machten die beiden gemeinsam in der Küche? Worüber unterhielten sie sich? Ich beschloss, sie zu belauschen und schlich mich an die Küchentür. Ich hörte meinen Namen. Ich hielt den Atem an und lauschte mit klopfendem Herzen.
»Es ist schön, dass du da bist, Kevin«, sagte meine Mutter gerade.
Kevin. Ich konnte es nicht glauben, dass er hier mit meiner Mutter in unserer Küche war. Das ging entschieden zu weit. Er sollte mich in Ruhe lassen, und jetzt drang er sogar in mein Haus ein. Ich sollte ihn zur Rede stellen und ihn fragen, was genau er an meinen Ausführungen eigentlich nicht begriffen hatte.
»Es ist gut zu wissen«, fuhr meine Mutter fort, »dass da jemand ist, der ein Auge auf Johanna wirft. Ich alleine, oder auch mein Mann, wir schaffen es einfach nicht mehr. Wir sind am Ende unserer Kräfte.«
»Keine Sorge«, sagte Kevin. »Sie will zwar, dass ich sie in Ruhe lasse. Aber ich werde trotzdem nicht aufhören, auf sie aufzupassen.«
Was für ein ignoranter Irrer. Ich musste ihm wohl noch deutlicher zu verstehen geben, dass er aus meinem Leben verschwinden sollte. Noch deutlicher als schon getan. Musste ich erst gewalttätig werden?
»Das ist schön, das ist schön«, seufzte meine Mutter. »Seit damals wird alles immer schlimmer. Wir verlieren unsere Tochter und wissen nicht, was wir noch tun sollen.«
Mich in Ruhe lassen, ihr begriffsstutzigen Dummköpfe.
»Ich hoffe, dass Dr. Uschasnik ihr helfen kann. Ich glaube, er ist ein fähiger Mann auf diesem Gebiet.«
»Das ist er«, sagte Kevin.
Woher wollte denn Kevin das wissen? Meine Mutter musste ich leider enttäuschen, denn das Kapitel Psychoheini war für mich erledigt.
Ãber was sie dann sprachen, brachte mich innerlich zum Kochen. Das Thema war nun bei Anne und mir angelangt. Wie groÃe Sorgen sie sich deswegen machten. Sie sagten tatsächlich, dass ich Anne loslassen müsse, dass das alles nicht gut sei und zu nichts Gutem führen könne. Das war zuviel.
Sie wollen mir Anne wegnehmen!
Ich trat in die Küche und blitzte die beiden böse an. Ich sagte nichts, auch nicht als meine Mutter mit überraschter Stimme fragte, wie lange ich schon da wäre. Ich schwieg, ging an den Küchenschrank und begann ohne Vorwarnung, Kevin und meine Mutter mit Tellern und Tassen zu bewerfen. Die beiden flüchteten hinter dem Küchentisch in Deckung und ich konnte immer nur noch mehr Geschirr nach ihnen werfen. Sie wollten mir Anne wegnehmen! Ich hörte erst auf, als das Kaffeeservice komplett vernichtet war. Zitternd ging ich aus der Küche und hinterlieà ein mit weiÃen Scherben übersätes Schlachtfeld und zwei dumm aus der Wäsche guckende Menschen. Ich kümmerte mich nicht um sie, wandte mich ab und ging in mein Zimmer. Meine zitternden Glieder verbarg ich so gut es ging.
»Was warn das fürn Lärm?«, fragte Anne, als ich in mein Zimmer trat. Ihre Stimme klang schwach. Sie lag im Bett, die Decke bis ans Kinn hochgezogen.
»Oh Gott! Anne!« Ich rannte zu ihr. »Es tut mir so leid! So sehr leid! Ich hätte dich nicht anschreien dürfen, und dich schon gar nicht einfach so hierlassen.«
Anne klapperte mit den Zähnen. »Hast was zu rauchen dabei?«, fragte sie.
»Klar hab ich was.« Ich packte die Steinchen aus, und machte uns eine Pfeife fertig, die wir sofort aufrauchten. Mir war egal, dass unten meine Mutter war. Wir hielten uns fest in den Armen und betrachteten staunend, wie mein Zimmer in der Aschenwelt aussah. Verbrannt, grau, irgendwie schön. Danach ging es Anne wieder besser. Mir auch. Das Zittern war weg.
»WeiÃt übrigens, wer unten bei meiner Mutter saà und über uns geredet hat?«
»Nö.«
»Kevin!«
»Hat er den Lärm gemacht?«
Ich rollte die Augen. »Nein, der Lärm kam von mir. Weil meine Mutter und Kevin sich darüber unterhalten haben, dass unsere Beziehung nicht gut für mich sei und dass ich mit dir Schluss machen sollte und so nen Blödsinn.«
»Warum denn das?«
»Weil sie vielleicht intolerant sind und Lesben hassen?« Ich wurde lauter. »Keine Ahnung! Jedenfalls hab ich ihnen gezeigt, was ich davon halte und sie mit der
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