Aschenwelt
könnten unterwegs noch einen Kaffee holen, wenn du magst.«
»Ich ⦠ich wollte eigentlich â¦Â«, druckste ich herum, aber mir wollte keine gescheite Ausrede einfallen.
»⦠noch etwas erledigen?«, fragte er.
Ich blickte ihn an und schüttelte den Kopf. Dann seufzte ich und erhob mich vom harten Sitz. »Gehn wir«, sagte ich. Meine Laune sank noch tiefer.
Uschasnik lächelte und verlieà die Bahn. Ich begleitete ihn und blieb dabei ein Stück versetzt hinter ihm. Er drehte sich immer wieder zu mir um und textete mich fortwährend zu. Er unterbrach seinen Smalltalk nur, als er sich an einer Imbissbude einen Kaffee kaufte. Ich wollte keinen, auch wenn er mich dazu eingeladen hätte. Steinchen! Ich hörte ihm nicht zu, was auch immer er mir erzählte. Es war ohnehin belangloses Zeug. Ich sagte nur manchmal »mhm«, nickte und quälte ein Lächeln hervor, um den Schein zu wahren, dass ich voller Interesse seinem Gelaber folgte. Dabei dachte ich nur an die Steinchen. Ich brauchte sie dringender denn je. Uschasnik trank beim Gehen seinen Kaffee und warf den Pappbecher kurz vor seiner Praxis in einen Mülleimer.
Als wir in seinem Behandlungszimmer waren und einander gegenüber Platz genommen hatten, schwieg er endlich und musterte mich. Minutenlang. Als wartete er darauf, dass auch ich einmal etwas sagte. Aber darauf konnte er lange warten. Von mir kam ganz sicher nicht das nächste Wort. Wenn es sein musste, schwieg ich eben die ganze Stunde. Ich hoffte, sie würde schnell vergehen, damit ich schneller an neue Steinchen kam. Ich schaute auf die Uhr. Die Behandlungsstunde hatte eigentlich noch gar nicht angefangen. Vielleicht wollte er Psychodinge nur während bezahlter Zeit besprechen, überlegte ich. Und damit lag ich wohl nicht ganz daneben. Denn fast auf die Sekunde genau fing er zu sprechen an.
»Geht es dir heute nicht gut?«, fragte er.
»Warum?«
»Du siehst ziemlich blass aus. Wirst du krank?«
»Nein, alles bestens«, log ich. Mir ging es überhaupt nicht gut und war erschrocken darüber, dass man das auch sehen konnte. Zu dem, dass ich fror wie am Nordpol gesellte sich nun auch noch ein Jucken auf meinem rechten Unterarm. Ich brauchte die Steinchen, dann würde alles wieder gut sein.
Uschasnik musterte mich eingehend bei völligem Schweigen.
»Und wie gehtâs deinen Eltern?«
»Wie solls denen gehen! Sie nerven.«
»Ich glaube, sie sorgen sich um dich.«
»Pff. Brauchen sie nicht. Ich komm ganz gut alleine klar.«
»Mit Anne?«
»Ja, mit Anne.«
»Mhm«, machte er und betrachtete mich wieder eine Weile, bevor er fortfuhr. »Ist dir seit dem letzten Mal nochmal so etwas passiert? Dass du plötzlich in einer anderen Welt, ich nenn es mal so, warst und nicht wusstest wie?«
»Nein.«
»Und wie erklärst du dir, dass es einmal geschehen ist?«
»Keine Ahnung. Vielleicht war ich ohnmächtig und hab phantasiert. Wär bei der Hitze ja auch kein Wunder.« Ich verkrampfte immer mehr, weil ich noch stärker fror als zuvor. Die Steinchen riefen noch lauter nach mir. Dort, auf dem Grünstreifen warteten sie auf mich. Und ich saà hier fest.
»Denkst du, dass jemand dafür verantwortlich ist, dass das mit dir passiert ist?«
»Wer soll dafür verantwortlich sein! So ein Blödsinn.«
»Ich weià nicht. Ich habe dich gefragt.«
»Wenn jemand schuld ist, dann meine Eltern. Ohne sie gäbe es mich nicht, also wär mir das nicht passiert und ich säÃe nicht hier fest.«
»Interessant.«
»Das war ein Witz! Okay?«
»Meine Erfahrung zeigt, dass hinter jedem Witz eine gewisse Wahrheit steckt.«
Ich rollte die Augen. Dieser Kerl verdrehte mir die Worte im Mund. Ich musste auf der Hut sein, dass ich nichts sagte, was er irgendwann gegen mich verwenden konnte. Und ich musste aufpassen, dass er nicht sah, dass ich inzwischen zitterte wie nichts Gutes.
»Wenn ich du wäre«, sagte Uschasnik, »wüsste ich, wem ich die Schuld für ziemlich vieles geben würde. Und ich wäre sehr wütend.«
»Von was reden Sie?«
»Von dem, was passiert ist.«
»Es ist nichts passiert!«, schrie ich ihn an. »Okay?« Ich setzte mich steil auf und blitzte ihn an. Mein Herz pochte gegen meine Rippen. »Und wenn was passiert wäre«, fuhr ich mit bebender Stimme fort, »würde es keine Sau
Weitere Kostenlose Bücher