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Aschenwelt

Aschenwelt

Titel: Aschenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timon Schlichen Majer
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ohne es mitzubekommen. Und inzwischen war es spät, dunkle Nacht. Den Typ würden wir höchstwahrscheinlich heute nicht mehr treffen.
    Â»Sollen wir stattdessen ’n bisschen Gras rauchen?«, schlug Anne vor.
    Â»Hab ich auch nichts mehr von.«
    Â»Das ist ja blöd.«
    Wir gingen in mein Zimmer und versuchten einzuschlafen. Wir wünschten uns den nächsten Tag herbei, an dem wir endlich wieder unsere Steinchen kaufen konnten. Uns war bitterkalt in jener Nacht, und doch schwitzten wir. Wir machten Witze darüber, aber nur, um uns davon abzulenken, dass irgendetwas mit uns nicht stimmte. Anne traten plötzlich Tränen in die Augen. Und als ich diese sah, musste auch ich weinen. Warum, wussten wir beide nicht. Es war einfach plötzlich alles so traurig, so schlimm, so schrecklich, dass wir uns nicht anders zu helfen wussten, als zu weinen. Wir wimmerten uns gemeinsam in den Schlaf, hielten uns fest und sagten uns immer wieder, dass wir uns nie wieder loslassen durften. Wir schworen, uns niemals zu verlassen, geschehe was wolle.
    Meine Mutter weckte uns mit einem Klopfen an meine Tür. Sie fragte, ob ich Lust hätte, an diesem schönen Morgen gemeinsam mit ihr zu frühstücken. Ich sagte ihr, sie solle verschwinden.
    Â»Komm schon, Liebes. So wie früher. Nur du und ich. Ich habe extra mal wieder Nutella gekauft. Das magst du doch so. Und du musst heute nicht zur Schule, weil du ja nachher einen Termin bei Dr. Uschasnik hast.«
    Scheiße. Den hatte ich vollkommen vergessen.
    Â»Nutella ist scheiße. Frühstücken ist scheiße. Und Uschasnik ist ein kleiner Wichser, zu dem ich nicht mehr gehen werde. Und jetzt zisch endlich ab«, rief ich durch die geschlossene Tür.
    Â»Warum bist du so garstig zu deiner Mum?«, fragte Anne.
    Â»Weil sie es verdient hat.« Ich hatte extrem miese Laune.
    Anne blickte mich schweigend an und meinte, dass keine Mutter dieser Welt das verdient hatte. Sie wolle bestimmt, so wie ihre auch für sie, nur das Beste für mich.
    Â»Du hast keine Ahnung!«, schrie ich sie an. »Null!« Ich stand genervt auf, zog mich an und machte mich fertig für die Stadt, neue Steinchen kaufen. Ich befahl Anne, hier auf mich zu warten, oder eben zu tun, was sie tun musste, und ließ sie abschiedsgrußlos sitzen.
    Ich sah meine Mutter einsam und mit gesenktem Kopf am Küchentisch sitzen und rannte aus dem Haus. Rannte und rannte und kam erst allmählich wieder zur Besinnung und dazu, mich zu fragen, was nur in mich gefahren war, Anne so anzuschreien. Noch dazu grundlos. Ich sollte umkehren und mich entschuldigen. Nein. Erst wollte ich die Steinchen holen. Ich brauchte sie. Jetzt sofort. Ich zitterte immer mehr und mir war so kalt, obwohl die Sommersonne auf mich hinabbrannte. Nur die Steinchen konnten mir helfen, mich wieder besser zu fühlen.
    Auf dem Weg zur Bahn sah ich Kevin, wie er dick und rotgesichtig an der Ecke auf mich wartete. Er schien es nicht begriffen zu haben. Vielleicht musste ich noch deutlicher werden, ihm noch aggressiver zu verstehen geben, dass ich ihn nicht sehen wollte und dass er endlich aufhören sollte, mir aufzulauern. Aber heute hatte ich keine Lust und keine Zeit dazu. Ich musste die Steinchen kaufen und dann schnellstens zurück zu Anne. Also wählte ich einen anderen Weg und schlich mich, immer auf der Hut, von der anderen Seite in den Bahnhof. Erfolgreich. Kevin entdeckte mich nicht. Und ich stieg unbehelligt in die Bahn.
    Â»Das ist ja schön, dass wir uns hier treffen«, sagte jemand zu mir, als ich mich auf den Sitz fallen ließ.
    Ich starrte den Mann sprachlos an, der mir gegenüber saß und gerade seine Zeitung zusammenfaltete und wegsteckte.
    Â»Da können wir ja zusammen fahren.«
    Â»Dr. Uschasnik«, stieß ich hervor. »Was tun Sie denn hier?«
    Â»Ich fang heute später an, du bist meine erste Patientin an diesem schönen Tag.« Er grinste breit.
    Ich sank zusammen und überlegte fieberhaft, wie ich aus diesem Schlamassel wieder herauskam. Ich wollte eigentlich nie wieder zu ihm. Während ich noch überlegte, stand Uschasnik auf und schaute mich erwartungsvoll an.
    Â»Na, begleitest du mich?«, fragte er.
    Ich schaute auf die Uhr. »Ist doch noch gar nicht soweit«, sagte ich. Ich brauch was zu rauchen.
    Â»Ein bisschen Zeit haben wir noch, das stimmt«, bestätigte er. »Aber wir müssen ja noch ein Stück zu Fuß. Wir

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