Aschenwelt
hier schreien. Das ist es. Die Lösung. Ich packe mit zitternden Händen meine Pfeife aus und wickle die Alufolie auseinander. Ich nehme mit spitzen Fingern ein Steinchen und will es in die Pfeife geben. Auf dem Weg dorthin fällt es mir aber aus der Hand und verschwindet spurlos in der Asche auf dem Boden. Ich heule fast und nehme mir noch ein Stückchen aus der Alufolie. Diesesmal klappt es und ich rauche es in einem Zug weg.
Die Welt bleibt gleich.
Aber ich nehme noch den verborgensten Geruch wahr und höre noch das leiseste Geräusch. Ich höre das Flüstern der Teufel. Ich spüre, wie die Kraft durch meine Adern schieÃt. Wie bei Popeye, wenn er seinen Spinat isst, oder bei Asterix, wenn er vom Zaubertrank trinkt. Ich schnelle auf die Beine und renne in die Richtung, aus der das Flüstern in meine Ohren dringt. Ich renne durch die Gassen und schnappe mir auf dem Weg zwei Eisenstangen und schwinge sie wie Schwerter durch die aschegeschwängerte Luft. Ich nähere mich den Teufeln, das Flüstern wird lauter. Ich kann sie jetzt riechen. Jeden einzelnen. Ihr öligruÃiger Gestank bohrt sich in meine Stirnhöhle, gepaart mit dem Verwesungsgeruch des vergossenen Blutes und den Brandgasen der Trümmerstadt. Sie sind nah, sehr nah.
Als ich um die nächste StraÃenecke biege, liegt sie vor mir. Eine gigantische Masse an Teufeln. Sie füllen eine breite und lange StraÃe. Ein öligschwarzes Meer breitet sich vor mir aus, ein Meer aus Teufeln, die mir ihre spitzen Zähne entgegenblecken. Am Ende der StraÃe sehe ich, was ich schon in jenem Traum gesehen habe. Eine helle Gestalt hängt wie Jesus am Kreuz an einem Metallgestänge. Sie haben Anne wieder dort hingehängt. Doch was auch immer sie mit ihr vorhaben, sie werden nicht dazu kommen. Denn sie haben nicht mit mir gerechnet.
Ich kämpfe mich durch sie hindurch. Zu Anne.
Sie ist bewusstlos, wie in jenem Traum, den wir gemeinsam geträumt haben. Ihr Kopf mit den blonden Locken hängt herab, ihr Kinn ruht auf ihrer Brust. Ihre Arme und Beine sind mit schmierigen Kabeln an das Metallgestänge gebunden. Sie atmet nicht. Oh mein Gott. Ist sie tot? Ich zerre an den Kabeln herum, krieg sie aber nicht los.
»Anne!«, schreie ich. Sie rührt sich nicht.
Ich finde ein scharfkantiges Stück Metall, das durch die Kabel fast wie durch Butter schneidet. Annes Körper sinkt in meine Arme und das Flüstern der Teufel wird wieder schriller. Die ersten nähern sich mir zögerlich und fauchen. Ich lege Anne auf den Boden und postiere mich vor sie. Die Teufel rücken näher, und meine Eisenwaffen warten auf sie. Der erste springt vom Boden ab, verwandelt sich im Flug in eine wirbelnde Rauchsäule und materialisiert sich nur wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Und dann lässt die Wirkung der Droge nach. Der Teufel löst sich in nichts auf und ich fand mich mitten auf der Einkaufsmeile im Stadtzentrum wieder, Anne zu meinen FüÃen, ich noch immer in Kampfpose, doch ohne Eisenstangen in den Händen. Die Pasanten machten einen weiten Bogen um uns und warfen uns verärgerte und teils verwirrte Blicke zu. Ich konnte es ihnen nicht verdenken, sie wussten nicht, was hier bis vor einer Sekunde noch los war.
Ich beugte mich zu Anne hinab und rüttelte sie. Aber sie rührte sich nicht. Ihr Gesicht war bleich, blutleer.
»Anne! Wach auf!« Tränen schossen mir in die Augen.
Ich küsste sie, als wäre sie Schneewittchen und ich ihr Prinz. Und tatsächlich kam Anne in eben jenem Augenblick zu sich und fragte, was denn geschehen sei und wo sie wäre. Als Antwort küsste ich sie heftig und sagte, dass alles gut sei.
Ab diesem Tag trug ich immer eine geladene Pfeife griffbereit bei mir. Sollte ich wieder plötzlich und unvorhergesehen in der Aschenwelt landen, von Teufeln umzingelt, wollte ich meinen Zauberrauch parat haben. Ich wollte mich nie wieder schwach und hilflos fühlen.
Die folgenden Tage waren ein einziger Rausch. Anne und ich rauchten nahezu ohne Unterlass. Wir rauchten, reisten in die Aschenwelt, killten Teufel, ich kaufte neue Steinchen bei meinem Händler, wir rauchten noch mehr und killten noch mehr Teufel. Für mich war es der perfekte Plan, nie wieder einen solchen Tagtraum erleben zu müssen, in dem wir hilflos den Teufeln ausgeliefert waren und Anne verschleppt und fast getötet wurde. Wir rauchten weiter und eines Tages eröffnete mir
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