Aschenwelt
es noch einiger Perlen, die ich ihm hinwerfen musste.
»Wisst ihr, die letzten Wochen waren sehr schwierig für mich, nach allem, was passiert ist.« Ich räusperte mich innerlich und meine Mutter nickte traurig und verständnisvoll. »Aber ich habe jetzt ja lange mit Dr. Uschasnik darüber gesprochen, sehr lange und sehr ausführlich. Und das hat mir sehr geholfen, dass alles«, was auch immer, »zu verarbeiten.« Ich machte eine kleine Kunstpause und fügte dann hinzu: »Und auch Anne war mir eine groÃe Hilfe.«
Das Lächeln auf Mutters Gesicht erstarb. Mein Vater runzelte die Stirn. Vielleicht hätte ich Anne nicht erwähnen dürfen. Verdammt. Ich versuchte, schnell wieder davon abzulenken und sagte, dass ich nun auch endlich wüsste, was ich nach dem Abitur studieren wollte. Das interessierte meinen Vater natürlich brennend. Und ich antwortete ihm wie aus der Pistole geschossen, so wie Profilügner das tun, auch wenn sie eigentlich keine Antwort parat hatten. Denn wenn man nur den Bruchteil einer Sekunde zu lange wartete, wurde man meist entlarvt. Und ich schaute ihm bei meiner Lüge direkt in die Augen. Ganz ohne schlechtes Gewissen. Ich behauptete, dass ich Psychologie studieren wolle, nach den umwerfenden Erfahrungen mit Dr. Uschasnik. Ich war mir für keine Flunkerei zuschade, hauptsache ich erreichte mein Ziel.
Die Antwort schien zur Zufriedenheit meiner Eltern auszufallen. Ihnen war wichtig, dass ich etwas studierte, mit dem man später viel Geld scheffeln konnte. Am liebsten wäre ihnen natürlich Jura gewesen, in die FuÃstapfen der Eltern treten oder so etwas Blödsinniges, oder Medizin, das war auch noch in Ordnung. Und Psychologie war ja fast so etwas wie Medizin, dachte ich mir. Ohje, hoffentlich habe ich mich nicht vergaloppiert. Ich hätte auch einfach Jura sagen können. Aber ich glaube, diese Lüge wäre allzuschnell aufgeflogen, nach all den fiesen Dingen, die ich in den letzten Monaten über Anwälte und Juristen fallen gelassen hatte, seit meine Eltern ernsthaft mit mir über mein Studium diskutieren wollten.
»Ja, so sieht es derzeit bei mir aus«, sagte ich und machte Anstalten, wieder aufzustehen, schob dann aber noch ganz beiläufig hinterher: »Ach so. Da wäre noch eine Kleinigkeit. Ich bräuchte Geld. Ich möchte in den Ferien, die ja nächste Woche sind, einen kleinen Bildungsausflug machen.« Mit Anne verschluckte ich im letzten Moment.
Meine Mutter seufzte mal wieder und mein Vater räusperte sich.
»Gibtâs damit ein Problem?«, fragte ich mit aller Freundlichkeit, die ich in meine Stimme legen konnte.
»Nun, damit gibt es sehr wohl ein Problem«, sagte mein Vater. Ich sank wieder auf den Stuhl zurück und starrte ihn fragend an.
»Du musst verstehen, alles, was wir tun, oder auch nicht tun, ist stets nur zu deinem Besten«, fuhr er fort.
Mein Gesicht versteinerte, so wie alles andere in mir. Ich schlang meine Arme um meine Brust.
»Ich habe dein Konto sperren lassen, nachdem dort in den letzten Wochen viel Geld abgehoben wurde. Erst dachte ich, dass es sich um Betrug handelte, dass deine Karte verloren gegangen wäre, oder ähnliches. Doch du hattest nichts gesagt, also musste ich davon ausgehen, dass du selbst es warst. Für was, fragte ich mich, und dabei half uns dein Freund Kevin. Er hat ein Auge auf dich, seit damals, du weiÃt schon. Und er hegte den Verdacht, dass du Drogen nimmst, und zwar sehr viel und sehr häufig. Darum lieà ich nun dein Konto sperren, damit du â¦Â«
Den Rest seiner Richterrede hörte ich mir nicht mehr an. Der Hass in mir kochte wie eine Höllensuppe. Der Hass auf meinen Vater, und vor allem der Hass auf Kevin, diesen miesen ScheiÃkerl. Ganz langsam und still erhob ich mich und wandte mich zur Tür der Wohnhalle. Ich hörte nicht auf die gebellten Befehle meines Vaters, die sich mit dem Schluchzen meiner Mutter zu einer widerwärtigen Kakophonie vermischten. Ich schritt zur Tür. Mir war schwindelig, als hätte ich zuviel Alkohol getrunken. Und wie zufällig stieà ich gegen die Mingvase. Gerade fest genug, dass sie von ihrem Sockel kippte und auf dem Boden in tausend kleine Scherben zersprang. Ich hörte den spitzen Schrei meiner Mutter und dann die Totenstille. Ich verlieà die Wohnhalle, ohne mich noch einmal umzudrehen, stieg die Stufen hinauf und schlug meine Zimmertür hinter mir
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