Aschenwelt
sie. »Und ich dachte, er wollte mich als eine seiner Huren.«
Es war still in der Küche. DrauÃen begann es schon zu dämmern und die Stadt erwachte langsam zu neuem Leben. Die Stille würde bald verschwunden sein. Jo hatte Bauchschmerzen und trank noch einen Schluck Tee. Früher hatte sie sich oft gefragt, warum gerade ihr so viel Schlimmes widerfuhr. Wenn sie ehrlich war, fragte sie sich das bis heute. Wenn sie nun aber an all die Opfer des Menschenhändlers dachte und an deren Qualen und an den Horror, den sie erleben mussten, bis sie ⦠Es war unerträglich, sich auch nur vorzustellen, dass es Menschen gab, die zu so etwas in der Lage waren.
Warum wurde ich gerettet und die anderen nicht?, fragte sie sich nun. Weil du einen Kevin hattest!
»Danke«, sagte sie.
»Für was?«, fragte Kevin.
»Einfach für alles. Dass du damals für mich da warst. Und es heute noch bist.«
»Schon gut.« Kevin lächelte. »Irgendjemand muss doch auf dich aufpassen.«
Jo schaute ihm eine Weile in die Augen. Kevins Erzählungen hingen wie ein dicker Nebel in der Küche. Sie stand auf, ging um den Tisch herum und schlang ihre Arme von hinten um ihn. Sie schloss die Augen und umarmte ihn still. Eine seltsame Liebe war das, die sie beide verband. Und eine noch seltsamere Geschichte.
Nadeschda kam laut gähnend in die Küche geschlurft. Kevin entwand sich aus Jos Uarmung, erhob sich abrupt, sagte gute Nacht, drückte sich an Nadeschda vorbei und verschwand ohne ein Wort der Erklärung.
Nadeschda schaute Jo mit offenem Mund an und zeigte Kevin hinterher. Jo wusste selbst nicht, wie sie Kevins plötzlich Aufbruch erklären sollte.
»Vielleicht ist er müde«, vermutete sie. »War auch die ganze Nacht wach, wie ich.«
»Hast du wieder geschrieben?«
Jo nickte, wobei ihr Blick auf einem Stück hervorblitzender Brust unter Nadeschdas Nachthemd hängen blieb. Nadeschda räusperte sich und zog ihr Nachthemd straff.
»Schade«, sagte Jo, worauf Nadeschda kurzerhand ihr Hemd ganz herunterzog und Jo ihre nackten Brüste präsentierte. »Besser?«, fragte sie mit einem anzüglichen Grinsen.
»Viel!«
Sie lachten und Nadeschda zog sich wieder an.
»Verrücktes Huhn«, sagte Jo.
»Hunger?«, fragte Nadeschda.
»Nein. Hundemüde.« Jo gähnte und streckte sich. »Ich glaub, ich geh wieder ins Bett und lass die Uni heute sausen.«
»Ich leiste dir Gesellschaft, okay? Hab auch keinen Bock und will lieber deine Geschichte weiterlesen, wenn ich darf.«
»Das wäre schön.«
»Ich liebe es, dich beim Schlafen zu beobachten.« Nadeschda kicherte.
Nachdem sie gemeinsam gefrühstückt hatten, wobei Jo nur einen weiteren Tee trank, weil sie sonst nichts hinunterbekam und Nadeschda die Reste von Kevins Kochkünsten vom Abend zuvor verdrückt hatte, gingen sie in Jos Zimmer, zogen sich nackt aus und schlüpften unter die noch warme Decke. Jo schlief nahezu augenblicklich ein, während sie sich noch küssten, und wachte erst am späten Abend wieder auf.
»Guten Abend«, sagte Nadeschda.
Jo blinzelte. »Morgen.«
Nadeschda lachte. »Morgen ist noch ne Weile hin. Du hast den ganzen Tag durchgepennt.«
»Tschuldige. Wars langweilig?«
»Sicher nicht!«, sagte Nadeschda. »Ich hab deine Geschichte gelesen. Krass! Ich mein, das ist echt ⦠heftig! Wie gings dir dabei, als du â¦Â«
»Keine Fragen!«, fiel ihr Jo ins Wort. »Hatten wir ausgemacht!«
»Stimmt. Entschuldige bitte.«
»Schon okay.«
»Naja. Also, danach hab ich dich beim Schlafen beobachtet, wie versprochen. Und dann hab ich dein Zimmer aufgeräumt.«
»Du hast was?«
»Dein Zimmer aufgeräumt. War echt mal nötig. Bad hab ich auch geputzt, und auch die Küche.«
»Hast du n Knall? Du bist doch nicht meine Putzfrau!«
Nadeschda winkte ab. »Hey, mach ich gerne. Ich liebe putzen!«
Jo schaute sie stirnrunzelnd an. »Wusste nicht, dass man das lieben kann.«
»Ich schon«, sagte Nadeschda. »Ich kann ja auch mal nackt für dich putzen, wenn du magst.«
»Hmm. Das wär natürlich was.« Jo lachte.
»Aber, weiÃt du was?«, fuhr Nadeschda fort. »Kevin ist heute echt komisch drauf. Während ich die Küche geputzt habe, saà er die ganze Zeit schweigend am Tisch und hat mich beobachtet. Voll gruselig! Ich
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