Aschenwelt
hab versucht, ein Gespräch mit ihm anzufangen, aber er hat nur geschwiegen. Hat er ein Problem mit mir?«
»Nein, nein«, sagte Jo. »Der ist immer so.« Obwohl Kevin normalerweise überhaupt nicht so war. Das wollte sie jedoch nicht sagen, damit Nadeschda kein falsches Bild von ihm bekam. Vielleicht hatte er ja nur einen schlechten Tag erwischt. Oder er war eifersüchtig! Davor hatte sich Jo gefürchtet, was mit ein Grund dafür war, warum sie so lange gezögert hatte, bis sie ihre neue Freundin Kevin endlich vorgestellt hatte. Gewiss war er eifersüchtig. Armer Kevin. Es tat ihr weh, aber sie konnte es nicht ändern. Und Kevin wusste das auch. Er wusste, dass sie ihn mochte, vielleicht sogar liebte, auf eine ganz spezielle Art, als sehr guten Freund, aber nicht mehr. Sie wusste, dass er schon immer unsterblich in sie verliebt war und insgeheim mehr wollte als nur eine Freundschaft, auch wenn er das nie so sagte. Jo konnte es fühlen, aber sie konnte es ihm nicht geben. Es gab immer wieder Situationen, wonach sie sich hätte ohrfeigen können, weil sie durch eine Kleinigkeit, sei es ein zu langer Kuss auf die Wange, ein als anzüglich zu wertender Blick oder eine falsche Berührung, eine Hoffnung in Kevin weckte, die nicht erfüllbar war.
»Lust, mit mir zu duschen?« Jo musste sich selbst auf andere Gedanken bringen.
»Jetzt?«, fragte Nadeschda.
»Nein, in zwei Wochen. â Klar jetzt!«
»Die ist echt eng, die Dusche«, gab Nadeschda zu bedenken.
»Umso besser.« Jo grinste von einem Ohr zum anderen.
»Gut, dann komm.« Nadeschda fasste Jos Hand und zog sie mit sich ins Badezimmer.
Jo blickte sich um und konnte kaum fassen, wie es überall blitzte und blinkte. So sauber war ihr Badezimmer noch nie gewesen, auÃer vielleicht am Tag ihres Einzuges. Nadeschda schien über ein wahres Putztalent zu verfügen. Deutschland sucht die Superputze, Nadeschda würde diesen Wettbewerb konkurrenzlos gewinnen.
Sie zogen sich aus, Jo drehte den Wasserhahn auf und wartete einen Moment, bis das Wasser warm genug war, dann stiegen sie beide in die enge Kabine und lachten, weil sie tatsächlich kaum Platz darin hatten. Jo genoss die bis ins letzte Eckchen strahlend saubere Dusche, das warme Wasser auf ihrer Haut und Nadeschdas nackten, nassen Körper an ihrem. Sie seiften sich ein, lachten, kicherten, stöhnten und schrien. Und wäre es nach Jo gegangen, hätte dieser Moment ewig dauern können. Aber irgendwann war ihre Haut vom Wasser so aufgequollen, dass sie fürchtete, sie löse sich bald ab und verschwände im Abfluss.
Und Jo hatte Hunger, so sehr, dass ihr Magen schon schmerzte. Jetzt ein köstliches, von Kevin gekochtes Mahl, dann wäre der heutige Abend das Paradies auf Erden.
Sie trockneten sich ab, föhnten sich die Haare, zogen sich an und schlurften frohgelaunt in die Küche. Im Stillen hoffte Jo, dass Kevin schon etwas gekocht hatte, aber sie wurde enttäuscht. Kevin saà zwar in der Küche, aber diese war so aufgeräumt und geputzt wie Nadeschda sie verlassen hatte. Und es gab nicht das kleinste Anzeichen dafür, dass hier seither etwas gearbeitet wurde.
»Was kochst du heute?«, fragte Jo.
»Nichts«, erwiderte Kevin.
Jo blieb verdutzt stehen. »Wie jetzt. Ich hab Hunger!«
»Dann kocht doch selbst was! Oder bestellt euch was. Ich werde heute nicht kochen.« Kevin widmete sich wieder seinem Laptop vor sich auf der Tischplatte.
»Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen!«
Kevin stand daraufhin ohne ein Wort auf, klappte seinen Rechner zu und bat Jo, kurz mit ihr unter vier Augen reden zu dürfen.
»Warum?«, wollte Jo wissen. »Ich hab keine Geheimnisse vor Deschda.«
»Das geht aber nur dich und mich etwas an«, beharrte Kevin und wartete, die Türklinke in seiner Hand.
»Schon gut«, meinte Nadeschda. »Ich bestell uns derweil was.«
Jo wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Aber Kevins Blick zeigte ihr, dass es ihm ernst war und sie einen Streit vom Zaun brechen würde, lieÃe sie sich nicht auf Kevins Wunsch ein. Also ging sie mit ihm widerstrebend hinaus auf den Flur.
Kevin schloss die Tür hinter ihnen und zog Jo in Richtung seines Zimmers, das genau auf der anderen Seite der Wohnung lag.
»Was ist denn?«, fragte Jo. »Irgendwas wichtiges?«
Kevin atmete einmal tief durch und sagte dann mit
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