Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aschenwelt

Aschenwelt

Titel: Aschenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timon Schlichen Majer
Vom Netzwerk:
hält sich die schmerzende Wange. »Für was war jetzt das?«
    Ich fluche lautstark. »Wir müssen versuchen, aufzuwachen!«
    Â»Und deswegen schlägst du mich?«
    Â»Hat nicht geholfen!« Ich grüble. Wann erwacht man aus einem Traum? Fallen! Irgendwo runterstürzen! Dann wachte man für gewöhnlich immer auf, kurz, bevor man auf dem Boden aufschlug. Aber von wo sollen wir hier herunterstürzen? Hier ist alles topfeben! Mir kommt eine Idee und ich laufe mit Anne im Schlepptau los.
    Aber wir kommen nicht weit. Mit einem Mal tauchen rings um uns herum die Teufel auf. Und ich muss hilflos mit ansehen, wie sie Anne packen und fortschleifen. Ich schreie und schlage um mich, aber es hilft nichts.
    Ich weiß nicht mehr, was genau dann geschieht. Ich bin blind vor panischer Angst um Anne. Das nächste Traumbild, an das ich mich erinnere ist, dass wir beide mit Kabeln an das Metallgestänge gebunden hängen, von dem ich Anne schon zweimal befreien konnte. Doch dieses Mal ist das nicht möglich. Die Kabel um meine Arme und Beine sind so fest zugezogen, dass ich sie keinen Millimeter bewegen kann. Unter großen Mühen drehe ich meinen Kopf zu Anne. Sie ist bewusstlos, ihr Kinn liegt auf ihrer Brust. Ich rufe sie beim Namen, aber sie rührt sich nicht. Ein Teufel springt mir auf die Brust, krallt sich in mein Fleisch und grinst mich mit bleckenden Zähnen an.
    Â»Schau genau zu.« Er zischt und springt wieder hinab zu seinen Artgenossen.
    Sie springen Anne an, immer mehrere zugleich. Sie beißen, reißen und schlürfen, Blutfontänen schießen hervor, bespritzen die Teufel und mich. Ich schreie und zerre an den Kabeln. Aber die Teufel lachen nur und führen ihr entsetzliches Werk fort. Und ich bin machtlos und kann bald nur noch still vor mich hinwimmern. Ich wende meinen Blick ab. Es ist zu entsetzlich, ich kann es nicht ertragen.
    Ich weiß nicht, wie lange es dauert, doch irgendwann haben sie genug und lassen von Anne ab.
    Wieder springt einer der Teufel zu mir hinauf und zischt mir ins Ohr: »Nächstes Mal bist du an der Reihe.«
    Â»Warum nicht gleich!«, schreie ich ihn mit tränenerstickter Stimme an.
    Aber er springt wieder hinab und verschwindet mit den anderen. Niemand interessiert, was ich ihnen hinterherschreie.
    Durch meinen Tränenschleier sehe ich Anne. Ihr einst weißes Kleid ist dunkel verfärbt von ihrem Blut. Sie hängt dort wie ein schlaffes, feuchtes Tuch, und sie gibt kein Lebenszeichen von sich. So oft und verzweifelt ich auch ihren Namen rufe. Die Teufel haben sie ausgetrunken, und in ihrer Grausamkeit lassen sie mich am Leben, um nun für Gott weiß wie lange neben ihrem Leichnam zu hängen. Ich spüre, wie etwas in mir zerbricht. Meine Seele. Alles zerbricht und erkaltet. Tage, Monate, Jahre ziehen wie im Zeitraffer an mir vorüber. Wenigstens kommt es mir so vor. Während der ganzen Zeit ändert sich nichts, das Licht gefriert, der Boden, der Himmel, der Horizont, alles bleibt so erstarrt wie zuvor. Nur Anne schwindet immer mehr, trocknet vollkommen aus, schrumpft, verbleicht, zerbricht wie eine Porzellanpuppe und löst sich schließlich in Staub auf. Ein leichter Wind weht ihn davon. Ihr blutverkrustetes Kleid sinkt zu Boden und bleibt dort liegen.
    Ich lag in meinem Bett, starrte an die Decke und war unfähig, mich zu rühren.
    Es war nur ein Traum, redete ich mir immer und immer wieder ein.
    Ich flüsterte Annes Namen, aber sie antwortete mir nicht.
    Nur ein Traum. Ein schrecklicher Traum. Mein Herz sprang gegen meine Rippen. Ich dachte an die Kabel, mit denen ich festgebunden war. Der Schreck fuhr mir in alle Glieder, dass sie mir die Gurte wieder angelegt hatten. Aber ich war nicht festgeschnallt.
    Â»Anne, wach auf«, bat ich.
    Keine Antwort.
    Endlich fiel die Starre von mir ab und ich konnte mich bewegen. Ich drehte mich zu Anne, voller Angst, sie tot neben mir zu finden. Sie war nicht da. Keine Spur von ihr. Im ganzen Zimmer nicht. Der Schreck fuhr mir in alle Glieder.
    Ich schnellte aus dem Bett und stürzte ins Bad. Aber auch dort war sie nicht. Ich schrie um Hilfe. Schrie, so laut und panisch, dass gleich drei Schwestern auf einmal in mein Zimmer gesprungen kamen und wissen wollten, was geschehen ist. Ich schrie nur Annes Namen und blickte in verständnislose Gesichter. Ich war so außer mir, dass ich, nur mit einem Nachthemd bekleidet, durch die Flure der Klinik rannte, um

Weitere Kostenlose Bücher