Aschenwelt
heute!«
»Wie denn bitte!«
»Magst du nochmal die Augen schlieÃen? Gemeinsam schaffen wir das!«
Ich bezweifelte es und schloss trotzdem zögerlich die Augen. Einige Atemzüge später stand ich wieder in der Aschenwelt, inmitten von unzähligen zischelnden Teufeln. Ich schrie auf. Uschasnik bat mich, ruhig stehen zu bleiben und weiterzuatmen. Ich versuchte es, zwang mich, aber meine Beine wollten weglaufen. Ich befahl ihnen, stehen zu bleiben. Die Teufel sammelten sich um mich und bildeten einen undurchdringlichen Ringwall. Sie fauchten und zischten, aber keiner von ihnen griff mich an.
»Und jetzt?« Ich fühlte mich unwohl und wollte einfach nur weg. Ich zitterte.
»Jetzt wünschst du dir eine Waffe herbei.«
»Das funktioniert nicht.«
»Versuche es. Stell dir vor, sie kommt vom Himmel zu dir herabgeschwebt. Von einem Engel, wenn du magst.«
Ich schaute zum Sackleinenhimmel hinauf und stellte mir ein brennendes Riesenschwert vor, wie ich es auf irgendeinem Engelbild einmal gesehen hatte. Ich glaube, mein Mund stand weit offen, als es tatsächlich kurz später erschien.
»Immer weiteratmen«, sagte Uschasnik.
Ich schloss meinen Mund und nahm das Schwert in Empfang, das in meine Hände schwebte.
»Also«, ich schluckte, »ich hätt jetzt ne Waffe.«
»Dann benutze sie.«
Ich betrachtete das Schwert in meiner Hand und bewunderte die in blauem Licht züngelnden Flammen, die aus der Schneide hervorschossen. Die Teufel hatten vor meinem Schwert Angst und wichen zurück. Ich tat so, als würde ich mit dem Schwert nach ihnen schlagen. Einige schrien auf, und allesamt wichen sie noch weiter zurück. Auf meinem Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. Ich stürzte mich auf sie. Und dann gab es nur noch mich und das flammende Schwert, das reihenweise Teufelköpfe verschlang. Ich hieb und stach und stieà ein triumphierendes Freudengeheul hinaus. Viel zu schnell waren keine Teufel mehr da â entweder zu Staub zerfallen oder geflohen. Ich wollte ihnen nachsetzen, doch Uschasnik holte mich vorher zurück. Er bat mich, die Augen wieder aufzuschlagen.
»Das war gut, Johanna«, lobte er mich.
»Ja, total geil.«
»Du allein bist Herrin dieser Welt, niemand sonst. Ich hoffe, das ist dir nun klar?«
Ich nickte.
»Somit hätten wir einen weiteren groÃen Schritt getan.«
»Wohin?«
»Auf unserem Weg auf deine Entlassung hin.«
»Wann?«
»Wir stehen noch ganz am Anfang. Bis dahin wartet noch eine ganze Menge Arbeit auf uns beide. Bist du bereit, mit mir gemeinsam diesen Rest zu schaffen?«
Ich nickte abermals. Es war nun schon das zweite Mal, dass es mir nach einer Sitzung bei Dr. Uschasnik blendend ging. Fast schon unheimlich. Wie eine Droge.
Ich hatte Angst um Anne. Wo war sie nur? Sie hätte wenigstens eine kurze Nachricht hinterlassen können, wenn sie schon mitten in der Nacht abhauen musste. Ich wusste nicht, wo sie war und wann sie wiederkommen würde. Und so verging der restliche Tag in endlosem Warten auf Anne. Das Fernsehprogramm ertrug ich heute nicht, und auf Musik hatte ich keine Lust. Ich versuchte, mein Wandgemälde weiter auszubauen und wunderte mich ein wenig, dass mich noch niemand deswegen gerüffelt hatte. Auch Uschasnik verlor kein Wort darüber, obwohl er es gesehen haben musste. Mir war es gleich, ich hätte so oder so daran weitergemalt. Doch heute gelang mir nur das riesige Feuerschwert, mehr nicht. Ich konnte nicht einmal Anne malen. So zog der Tag wie zähe Ãlfarbe an meinem Fenster vorüber, bis es allmählich dämmerte und die Nacht hereinbrach und ich immer noch alleine war, ohne einen Mucks von Anne.
Ich dachte daran, wieder ganz bewusst in die Aschenwelt zu gehen, um weiter mit den Teufeln aufzuräumen. Aber ich war mir nicht sicher, ob ich es ohne fremde Hilfe schaffen konnte. Das Risiko war mir dann doch zu groÃ. Und die Nacht stand bevor, mit den immergleichen Träumen. Die Aschenwelt kam früh genug zu mir.
Ich richtete mich auf eine Nacht ohne Anne ein. Ich dachte den ganzen Abend über an das Feuerschwert, sodass ich es später, wenn ich womöglich wieder träumen sollte, nicht vergaÃ. Ich hielt sein Bildnis an der Wand so lange im Blick, bis es zu dunkel war, etwas zu erkennen, doch auch dann war es für mich noch deutlich vor Augen. Das Schwert verschwand nicht, und als ich schlieÃlich einschlief
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