Aschenwelt
nach Anne zu suchen. Ich schrie fortwährend ihren Namen, aber ich bekam keine Antwort. Ich beruhigte mich erst wieder, als zwei Pfleger mich packten und ich einen Stich in meinem Oberarm spürte, worauf alles schwarz wurde.
Als wieder Licht in meine Augen strömte, lag ich in meinem Bett und Uschasnik saà bei mir.
»Geht es dir wieder besser?«
Ich schaute ihn nur stumm an.
»Du hattest einen Rückfall. Die Pfleger mussten dir eine Beruhigungsspritze geben.«
»Nein ⦠nein â¦Â« Ich konnte nicht weitersprechen.
»Was meinst du?«
»Ich ⦠hatte â¦Â« Meine Zunge war schwer und taub.
»Hier, etwas Wasser.« Uschasnik griff nach einem Glas und reichte es mir. Er half mir, mich aufzusetzen. Ich fühlte mich schlaff und ausgetrocknet und spürte, wie das kühle Wasser in jede einzelne meiner Zellen floss und mich langsam wieder mit Leben erfüllte. Mein Kopf hämmerte.
»Besser?«
»Kein Rückfall.«
Uschasnik blickte mich interessiert an.
» Albtraum. Ein schrecklicher Albtraum.«
»Willst du ihn mir erzählen?«
»Wo ist Anne?«
»Das weià ich nicht, Johanna. Erzähl mir von deinem Traum, bitte.«
Ich trank noch einen Schluck Wasser und schaute Uschasnik dabei in die Augen.
»Haben Sie Anne heimgeschickt?«
»Nein.«
»Dann musste sie wohl wieder zu ihrer Mutter.«
»Dein Traum«, sagte Uschasnik.
Ich blickte ihm noch einmal lange in die Augen, bevor ich mich durchrang, ihm endlich die Wahrheit über die Aschenwelt mitzuteilen.
Ich begann mit dem Traum der vergangenen Nacht und hängte all jene an, die ich davor hatte. Und ich erzählte ihm von meinen Tagträumen und all den Drogenreisen, die ich mit Anne zusammen und alleine in die Aschenwelt unternommen hatte.
Dr. Uschasnik hörte still zu, unterbrach mich kein einziges Mal, und machte sich nur ab und an kleine Notizen. Als ich alles erzählt hatte, fragte er mich, wann ich zum ersten Mal in der Aschenwelt gewesen sei.
»Vor einigen Wochen oder Monaten. So genau weià ich das nicht mehr. Mein Zeitgefühl ist völlig am Arsch. Sie war eines Tages einfach da. Ich glaube, es war ungefähr an dem Tag, als dieser irrsinnige Bilderbuchsommer begann.«
Uschasnik nickte nur.
»Ich verstehe es nicht«, sagte ich. »Warum ist die Aschenwelt da? Was bedeutet das alles?«
Uschasnik blickte mich stumm an.
»Jetzt sagen Sie doch auch mal was!«
»Was denkst du?«
Ich schnaubte entnervt. »Irgendetwas soll mir das zeigen. Die Teufel nehmen mir alles, was ich liebe.«
»Darf ich dir sagen, was ich glaube?«
Ich nickte.
»Ich glaube, nein, ich bin mir ziemlich sicher, dass die Aschenwelt deine Innenwelt ist. Sie lag in Trümmern und ist nun, bis auf wenige Reste, leergefegt. Jedes noch so kleine Detail in dieser Welt hat eine Bedeutung in deinem Leben und will dir etwas sagen, dir etwas zeigen.«
»Aber was!«
»Was denkst du!«
Ich überlegte eine Weile. »Die Teufel ⦠Das bin ich!« Es fuhr wie ein Blitz in mich. »Ich bin das! Ich bin schuld daran, dass ich alles verliere, was ich liebe.«
»Nein, das glaube ich nicht. Die Teufel stehen in gewisser Weise für deine eigenen Dämonen in dir, aber auch für alle jene Dinge, die gewaltsam von auÃen auf dich einwirken.«
Ich verstand nicht, was er mir damit sagen wollte. Meine Gedanken kreisten nur noch darum, dass ich an allem die Schuld trug.
»Alles hat einen Grund,« fuhr Uschasnik fort, »einen Auslöser, dass es derzeit so in dir aussieht.«
»Und was soll das bitte sein?«
»Du hast keinerlei Erinnerungen?«
»An was denn bitte? Ich allein bin schuld daran. An allem!« Ich kämpfte die Tränen nieder und zitterte. Mir war kalt.
»Nein«, sagte Uschasnik. »Du bist nicht schuld! An nichts von alledem! Es liegt an einem ganz bestimmten Ereignis in deinem Leben.«
»Ich kann mich beim besten Willen an nichts erinnern, was so auÃerordentlich schlimm gewesen sein soll, dass nun lauter Teufel in mir ihr Unwesen treiben.«
»Dann ist die Zeit einfach noch nicht reif dafür«, sagte Uschasnik.
»Was soll es denn bitte sein! Wir könnten das alles abkürzen, indem Sie es mir einfach sagen!«
»Nein, Johanna. Das kann ich nicht. Wir müssen es gemeinsam aus deinen Erinnerungen herausarbeiten. Denn ich war nicht dabei. Nur du selbst
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