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Ascheträume

Ascheträume

Titel: Ascheträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Temporin
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hätte er vielleicht nicht so reagiert.
    Ich ballte die Fäuste. Ludkar war genau dann aufgetaucht, als meine Enttäuschung am größten gewesen war. Darüber hinaus hatte er mich gerettet und sich mir geöffnet, indem er mir viel über sich und mich erzählt hatte.
    Aber es war doch sonnenklar, oder monddunkel wie im Cinerarium, dass sich zwischen ihm und mir niemals etwas entwickeln könnte.
    Ludkar hatte sich vor langer Zeit freiwillig in die Einsamkeit begeben. Er wäre für immer allein gewesen, gefangen in einem Albtraum. Ich hätte ihm helfen können, wenn ich meinen Vater und seinen Körper gefunden hätte. Und dann hätten wir uns Lebewohl gesagt.
    Ich hätte mein Leben gelebt und er seine Ewigkeit.
    Er tat mir leid. Ich fand ihn attraktiv, aber er war nicht mein Traum. Nate war mein Seelenverwandter. Und jetzt versuchte er zu verschwinden, wie er bereits aus der realen Welt verschwunden war. Was sollte ich tun? Ich wusste es nicht. Ich war doch nur ein kleines Mädchen, das mit Dingen konfrontiert war, die ihm über den Kopf wuchsen. Die Ereignisse hatten meine Geschichte bis zu diesem Punkt vorangetrieben. Nun verlangten sie, dass ich die Dinge selbst in die Hand nahm.
    In diesem Moment klopfte es an die offene Tür. Ich drehte mich um. Christine.
    »Willst du mir erzählen, was wirklich passiert ist?«, fragte sie und trat ein.
    »Woher weißt du, dass etwas passiert ist?«, fragte ich leise.
    »Was wäre ich für eine beste Freundin, wenn ich nicht merken würde, wenn du in Schwierigkeiten bist?«
    Ich lächelte und forderte sie auf, sich neben mich auf den Boden zu setzen. Sie bevorzugte einen Stuhl.
    Ich erzählte ihr, was sich im Cinerarium ereignet hatte. Nates Verhalten und Ludkars Kuss. Sie lachte mich nicht aus, sie klagte mich nicht an, und das wusste ich sehr zu schätzen. Ich brauchte jemanden, dem ich mich anvertrauen konnte, ohne verurteilt zu werden. »Thara, ich glaube nicht an ›Irrtümer‹. Was wir tun, hat Konsequenzen, so ist es eben.«
    Sie log nicht, um mir die bittere Pille zu versüßen. Wahrscheinlich hatte sie mir angesehen, dass ich mich wieder so weit gefasst hatte, um damit klarzukommen.
    »Ich dachte, als Erstes würdest du mich fragen, wie es war, einen Vampir zu küssen«, sagte ich und zwang mich zu einem Lachen.
    »Das will ich gar nicht so genau wissen.«
    Christine stand auf. Sie beschloss, dass es doch nicht so wichtig war, ob ihre Hose staubig wurde, und setzte sich neben mich.
    »Eines will ich aber doch wissen.« Sie zwinkerte mir zu. »Wenn man aus Angst vor dem Tod Vampir wird und wenn man selbst zum Tier wird, weil man Tiere isst … Hast du Ludkar gefragt, ob man dann zum Werwolf wird, wenn man Hundefutter zu sich nimmt?«
    Ich gab ihr einen Klaps auf den Hinterkopf.
    »Was für eine blöde Frage, die Leo hätte stellen müssen!«
    »Aber Leo ist nicht hier. Ich musste einspringen.«
    »Ihr wirkt immer mehr wie ein altes Ehepaar, das seit mindestens zwanzig Jahren verheiratet ist«, sagte ich und bereitete mich auf einen Faustschlag vor.
    Stattdessen sagte Christine: »Tja …«
    Dann empfanden sie also wirklich etwas füreinander.
    »Was soll ich deiner Meinung nach tun?«, fragte ich.
    »Das ist so, als würdest du mich bitten, dein Leben zu leben. Du musst dich selbst fragen und das Offensichtliche tun: dir eine Antwort geben.«
    Das klang vielleicht ironisch, aber ihre Stimme und ihr Gesichtsausdruck waren es nicht.
    »Es tröstet mich, dass meine Freunde immer wissen, wie sie meine Probleme lösen können«, gab ich im selben Tonfall und mit demselben Blick zurück.
    »Willst du wissen, was ich machen würde? Ich würde reden. Und dabei möglichst die Wahrheit sagen. Normalerweise macht das die Dinge nicht schlimmer«, sagte sie und richtete ihre Zöpfe.
    »Das ist aber keine sehr ›normale‹ Situation. Reden … Mit wem denn zuerst? Mit Nate oder mit Ludkar?«
    »Versuch für den Anfang, mit dir selbst zu reden. Frag dich, was du für Nate empfindest, und unterdrücke jede Furcht, bevor du dir die Antwort gibst.«
    »Christine, ich hab dir doch schon gesagt, was ich für Nate empfinde. Das Buch hat es mir verraten: Ich werde zu Asche, wenn ich ihn berühre.«
    »Lässt du dir etwa von einem Buch vorschreiben, was du für eine Person empfindest?«
    Christine hatte recht. Genau das war der Grund, weshalb ich Nate nicht gesagt hatte, was im Cinerarium passierte, wenn zwei Menschen sich liebten. Es war nicht die Angst gewesen, mich zu erklären. Es war die

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