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Ascheträume

Ascheträume

Titel: Ascheträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Temporin
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immer gleich – ich schien überhaupt nicht voranzukommen.
    Dann, als ich am wenigsten damit gerechnet hätte, tauchte plötzlich Ludkar hinter einer Biegung auf.
    Er stand genauso da, wie ich ihn von unten gesehen hatte, den Kopf geneigt, die langen, rötlichen Strähnen senkrecht im Gesicht, sodass sie die Hälfte seines Mundes verdeckten.
    »Schön, dich wiederzusehen!«, sagte er.
    Ich sagte nichts. Er schien etwas in der Luft zu wittern.
    »Irgendwas stimmt hier nicht!«, zischte er.
    Ich machte noch einen Schritt auf ihn zu.
    »Ich muss mit dir sprechen«, sagte ich, konnte aber seinem Blick nicht standhalten.
    »Ich auch mit dir«, gab er zurück und strich mir durchs Haar.
    Offenbar merkte er, dass ich kühl blieb, denn er zog seine Hand langsam zurück.
    Ludkar …«, hob ich an, »… was zwischen uns war … ich glaube, das war ein Fehler.«
    Er faltete die Hände und drehte seinen Oberkörper zu mir.
    »Ein Fehler?«, wiederholte er verblüfft. »Ich hatte den Eindruck, dass es dir viel zu sehr gefallen hat, um ein Fehler zu sein.«
    Er nahm mich in die Arme.
    »Es ist aber so.« Ich wollte ihn ansehen, aber auch dieses Mal schaffte ich es nicht. »Ich liebe Nate. Ich musste es dir sagen.«
    »Also bin ich auch für dich ein Monster«, sagte er und blickte verstört drein.
    »Nein, Ludkar, du bist ganz bestimmt kein Monster«, beruhigte ich ihn und legte ihm eine Hand auf den Arm. »Bitte verzeih mir!«
    Er regte sich nicht. Genau wie ein Toter.
    »Thara, es war doch nur ein Kuss.«
    »Ich weiß«, sagte ich beschämt.
    »Ich bin weder wütend noch enttäuscht«, sagte er kalt. »Ich habe schlimmeres Leid erlebt, grauenvolles Leid, das du dir nicht einmal im Entferntesten vorstellen kannst. Den Kuss eines Mädchens, so herrlich und süß er auch gewesen sein mag, kann ich locker wegstecken!«
    Er lächelte dünn.
    Ich erwiderte sein Lächeln.
    »Danke, Ludkar. Ich hatte gehofft, dass du mich verstehen würdest. Du hast meine Wut auf Nate geküsst, nicht mich. Aber das habe ich zu spät begriffen.«
    »Genau über Nate wollte ich mit dir reden«, unterbrach er mich. »Ich habe ihn gesehen.«
    Ich schreckte auf.
    »Aber du hast ihm doch nicht gesagt, was zwischen uns vorgefallen ist, oder?«
    Er schüttelte den Kopf, seine Haare flogen hin und her.
    »Nein, ich habe ihm nichts erzählt. Aber er, er hat mir etwas gesagt.«
    »Was denn?«
    »Es wird dir wehtun, Thara«, warnte er mich.
    Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken.
    »Er hat gesagt, dass er deinem Vater nicht verzeihen kann, was er ihm angetan hat. Und dass er dir nicht verzeihen kann, dass du dich für mich eingesetzt hast.« Wieder strich er mir durchs Haar, und dieses Mal ließ ich es wie gelähmt zu. »Es tut mir leid, Thara, aber er hat gesagt, dass er dich nicht mehr wiedersehen will.«
    Ich hob meine violetten Augen und sah Ludkar ins Gesicht. Seine Augen waren so schwarz wie alle Nächte eines ganzen Jahres zusammen. Das hatte Nate gesagt? Mir wurden die Knie weich. Der Vampir merkte es und stützte mich.
    »Thara, jetzt weißt du, wie sehr so etwas schmerzt!«
    Er stieg auf das Treppengeländer und blickte mich an. Zum ersten Mal sah ich Rührung in seinem weißen Gesicht.
    Dann ließ er sich sanft nach vorn fallen, und das Letzte, was ich von ihm sah, war das rote Futter seines flatternden Mantels. Ich beugte mich vor, aber als ich nach unten blickte, war er nicht mehr da.
    Ich lehnte mich an die Eisenwand. Das konnte nicht wahr sein. Nate konnte unmöglich gesagt haben, dass er mich nicht mehr wiedersehen wolle! Es war doch nichts so Schlimmes passiert. Ludkar musste es erfunden haben, um mir wehzutun. Aber diese Lüge war ihm nicht gut gelungen. Normalerweise war er besser darin, mit den Gefühlen der Menschen zu spielen.
    Vielleicht war er verbitterter, als ich glaubte. Er hatte so sehr betont, dass er Schlimmes durchgemacht hatte. Ich würde noch einmal mit ihm reden und ihn zur Vernunft bringen müssen. Ludkar war viel zu verrückt, um ihn in einem Zustand der Unruhe alleinzulassen. Er könnte tragisch reagieren.
    Ich stieg die Treppe hinunter und suchte in dem Dschungel aus Rohren nach dem Eingang zu den Hallen der Raffinerie.
    Es war schwer, sich zu orientieren, aber schließlich erkannte ich den Steg, über den wir beim ersten Mal gegangen waren. Ich folgte ihm und fand die Treppe zu der Halle, in der Ludkar wohnte.
    Ich ging hinunter und lief vorsichtig zwischen den großen, toten Maschinen hindurch. Hinter den letzten

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