Ash Mistry und der Dämonenfürst (German Edition)
ihrem Wüten inne.
Ravana, dessen goldene Rüstung besudelt ist von Blut und Gedärm, schaut ihn grinsend an.
»Ergebt Euch, Prinz Rama.« Er brüllt nicht und trotzdem dringen seine Worte deutlich über das Schlachtfeld. »Dann werde ich mich großzügig zeigen.«
Ramas Finger umschließen den Bogen noch fester. Er spürt, wie ihm das Blut durch die Schläfen rauscht, doch er kämpft gegen seine Furcht an und begräbt sie schließlich tief unter einem Berg der Wut. »Meine Aastras, wo sind sie?«, fragt er seine Generäle.
Jeder einzelne Gott hat Rama für diese Schlacht ausgerüstet. Von jedem hat er eine göttliche Waffe erhalten, einen Aastra, die ihm in diesem letzten Kampf helfen soll. Doch wie viele davon hat er bereits gegen die Armeen der Rakshasas eingesetzt? Wie viele Schwerter sind im endlosen Ansturm der Dämonen schon geborsten, die Ravana als Vorhut schickte?
»Mein Prinz«, sagt Lakshmana. »Es sind nur noch zwei übrig.«
Rama nimmt die beiden Pfeile, der eine vergoldet, der andere versilbert: Aastras der Großen Götter. Ravana stößt ein gewaltiges Brüllen aus und die Erde bebt, als er losstürmt. Ramas Generäle rennen auf ihn zu, um ihren Prinzen zu beschützen, doch einer nach dem anderen fällt unter den Sensenschlägen des Dämonenkönigs.
Es bleibt nur Zeit für einen Schuss. Rama hebt den Bogen.
Doch welchen Pfeil soll er nehmen?
Der erste ist ein Geschenk seines Schutzgottes Vishnu. Rama betrachtet die strahlende silberne Spitze, die auf einem Schaft aus Ebenholz sitzt.
Um die Kraft eines Aastras zu wecken, muss der, der ihn einsetzt, ein Opfer bringen. Rama wird Vishnu seine Krone darbieten, seine sterbliche Macht. Bis ans Ende seiner Tage wird er Vishnu dienen, und das mit Freude.
Doch der andere Aastra?
Die zweite Pfeilspitze ist aus blankem Gold, der Schaft weiß wie Knochen. Der Pfeil pocht in Ramas Fingern. Noch schlummern die Kräfte darin und es gibt nur einen Weg, sie zu erwecken.
»Benutze ihn«, drängt Lakshmana. »Ich bin bereit, mein Bruder.«
Um diesen Aastra einzusetzen, muss man den höchsten Preis von allen zahlen, mehr als für jedes Königreich und jede Krone. Rama blickt seinem Bruder in die Augen. »Das kann ich nicht.«
»Ich bin bereit«, wiederholt Lakshmana. Dann nimmt er seinen Brustpanzer ab und öffnet sein Seidenhemd. »Stoß zu. Erwecke den Aastra.«
»Nein, das kann ich nicht«, beteuert Rama erneut. Dieser Preis ist zu hoch, selbst für ihn. Und was würde aus ihm werden, wenn er ihn zahlte?
Ein Monster. Ein Wesen, sogar noch schrecklicher als der Dämonenkönig. Eine Kreatur, die das Universum verschlingen würde. Nein, der Preis ist zu hoch.
Er wirft den Pfeil, den goldenen Aastra, in den blutgetränkten Sand.
Dann nimmt Rama Vishnus Aastra und legt ihn auf die Sehne. Er späht den Schaft entlang und zielt auf den Dämonenkönig. Ihre Blicke treffen sich.
»Mein Herr, Vishnu«, flüstert Rama. »Ich bin in Eurer Hand.«
Der Aastra schnellt vom Bogen.
Kapitel 8
»Ash!«
Ash versuchte, sich zu bewegen, doch er konnte sich nicht rühren. Erde klebte in seinem Mund und verstopfte seine Ohren.
»Hier, ich bin hier«, ächzte er. Lichtkegel huschten über das Geröll.
Er blickte sich um und erwartete halb, von zerstückelten Dämonen umgeben zu sein. Da erbebte der Boden und Ash schluckte. Waren das Ravanas Schritte? Nein, es war nur sein Herz, das sich beinahe überschlug.
Es war alles so echt gewesen, der Krieg und das Gemetzel. Sobald er die Augen schloss, sah er ihn erneut aus der Finsternis aufsteigen: Ravana, den Dämonenkönig. Ash wusste, wie die Geschichte endete. Rama feuerte den Aastra ab und vernichtete Ravana. Das war’s. Das Ende vom Lied.
Und diese Dämonen – sie waren nicht real, nichts von alldem war real. Aber trotzdem …
Er selbst war Rama gewesen. Er hatte den heißen Wind gespürt und den grauenhaften Gestank von Krieg und Tod gerochen. Es war ihm so wirklich vorgekommen, viel mehr als nur ein Traum: wie eine Vision. Oder eine Erinnerung.
Ich bin nicht Rama. Ich bin Ash Mistry. Ich bin dreizehn und dieser Tag heute hat die besten Chancen zum miesesten meines Lebens zu werden.
»Ich kann ihn sehen!« Schuhe schrammten über die eingebrochene Kammerdecke und abermals versuchte Ash aufzustehen, doch das eingestürzte Dach hatte ihn eingeschlossen. Sein Atem ging flach und hektisch. Ash fühlte sich, als säße er in der Faust eines Riesen fest. Eigentlich tat ihm alles weh, aber besonders schlimm waren
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