Asharas Rückkehr - 19
kräftig waren, wenn er sie hochhob. Warum hatte er das getan? Da war etwas …
Er hatte sie an einen Ort gebracht, der gleichzeitig leer und besetzt war, ein enger Raum mit blauem Glas in den Wänden. Aber es war kein Glas, sondern Stein, und das Licht schien durch ihn hindurch. Und es waren auch nicht nur die Wände so. Die hohe Decke und der Boden waren aus demselben Material. Es war, als befände man sich im Innern eines blauen
Diamanten - was natürlich völlig unmöglich war. Der Raum war unglaublich kalt, und sie hatte gezittert, weil sie nur ein Nachtgewand trug und weil sie Angst hatte.
In Margarets Kopf tauchten nun eher Eindrücke als richtige Erinnerungen auf. Der Raum schien leer zu sein, bis auf einen Stuhl mit hoher Rückenlehne, der aus grauem Stein gemeißelt war und in der Mitte stand. Er war wie ein Thron, dachte sie. Sie wollte wegsehen, aber ihre Augen schienen von dem freien Sitz angezogen zu werden. Sie konnte eine Erscheinung ausmachen, die Gestalt einer sehr kleinen Frau, die Licht und Klang fraß und vor allem Gefühle. Als das seltsame Wesen sie ansah, fühlte sie sich leer, nicht mehr wie Marja, sondern wie ein kleines Nichts ohne eigene Identität.
Der Name Ardais hatte einen Anflug von Erinnerung ausgelöst. Warum also hatte sie immer noch das Gefühl, dass an Danilo Syrtis- Ardais etwas gefährlich war? Lag es daran, dass er alles tun würde, um Regis Hastur zu beschützen? Das hatte eigentlich nichts mit ihr zu tun, oder? Vielleicht war er überhaupt keine Bedrohung, sondern einfach nur ein Mann, der sie an das erinnerte, woran sie nicht erinnert werden wollte. Seit sie auf Darkover war, hatten die Geräusche und vor allem die Gerüche all das heraufbeschworen, was sie in den Tiefen ihrer Seele verborgen hatte. Es war etwas geschehen, woran sie sich auf keinen Fall erinnern wollte, etwas, das mit dieser kleinen Frau zu tun hatte, die auf einem Sitz aus Stein schimmerte. Wo befand sich dieser Raum, dieser kristalline Ort? Sie wollte es nicht erfahren, und doch musste sie es wissen!
Mit Schrecken wurde ihr klar, dass mehr dahinter steckte, als dass sie die Vergangenheit nicht lebendig werden lassen wollte. Diese Stimme! Die kalte Stimme, die ihr befahl, keine Fragen zu stellen, sich nicht zu erinnern. Das war nicht Dyan und auch nicht der silberne Mann, der sie in ihren Träumen verfolgte. Es war eine Frauenstimme, ganz sicher, und sie hing
mit dem blauen Kristallzimmer zusammen. Ihr schwindelte, wenn sie daran dachte.
»Was ist los, Marguerida?« Rafaella rüttelte ihren Arm.
»Ich glaube, es geht mir doch nicht so gut, wie ich dachte«, murmelte Margaret.
»Du hast die Augen in den Höhlen verdreht, Chiya. Ich dachte, du bekommst wieder einen Anfall.«
»Einen was?«
»Einen Anfall. Du hast unterwegs mehrere gehabt. Kleine nur, gewiss, aber sie waren trotzdem beängstigend.«
»Tatsächlich? Es tut mir Leid, wenn ich dir Angst gemacht habe.« Margaret sprach ruhig, ohne das Entsetzen laut werden zu lassen, das ihr Herz ergriffen hatte. Sie hatte nie Anzeichen von Epilepsie gezeigt, aber wer wusste, was diese seltsame Krankheit auslösen mochte. Nach einer Weile legte sich ihre Angst ein wenig, und sie dachte, dass sie ziemlich in der Patsche saß, weil sie so weit entfernt von terranischem, ärztlichem Beistand war. Diesmal bin ich aber wirklich voll reingetappt, was? »Fieber lösen manchmal eben Anfälle aus.« »Ja?« Margarets offenkundige Zuversichtlichkeit schien Rafaella zu beruhigen. Die Falten auf ihrer Stirn glätteten sich. Margaret sah sie an und stellte fest, dass sie eine große Zuneigung zu ihrer Führerin empfand. Sie hatte nie viele Freunde in ihrem Alter gehabt. Ihre Mitstudenten an der Universität waren ganz nett gewesen, aber sie hatte immer eine gewisse Distanz zu ihnen gewahrt. Es war fast, als wollte sie niemandem zu nahe kommen. Die Davidsons waren mehr als Freunde gewesen, aber sie waren beide zwei Generationen älter als sie, und es war nicht das Gleiche.
Margaret ließ sich in das Gefühl der Freundschaft fallen und hielt Rafaellas schwielige Hand umklammert. Es war eine neue Erfahrung für sie, frisch wie Frühlingsblüten, und sie
wollte sie auskosten. Irgendwie wusste sie, dass sie Rafaella in jeder Situation völlig vertrauen konnte.
Nein! Du wirst dich fern halten!
Sie zuckte zusammen, als sie diese Worte, gesprochen von einer leisen, aber unnachgiebigen weiblichen Stimme, vernahm, die keiner Frau gehörte, die sie kannte. Es war weder Dio noch Thyra.
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