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Ashby House

Ashby House

Titel: Ashby House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Ludewig
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diesem Moment betrat Steerpike Lucilles Schlafzimmer, eine Wärmflasche und einen Kakao (mit einem SchussRum, von dem Laura nichts wissen durfte) auf einem Tablett.
    »Steerpike, setzen Sie sich.« Laura nahm eine Strickjacke vom Sessel vor dem Fernseher und bedeutete ihm, Platz zu nehmen.
    Lucille irritierte diese Standesaufhebung außerordentlich, und sie griff nach ihrer Valiumschachtel   – zu spät. Laura war schneller gewesen und hatte das Valium in ihrer Tasche verschwinden lassen.
    »Es wird Zeit, dass du wieder zurechnungsfähig wirst. Dieses Haus ist gefährlich. Besser, du behältst einen klaren Kopf, glaub es mir.«
    »Nicht in diesem Ton!«
    Laura zuckte mit den Achseln und warf ihrer Schwester eine Schachtel Zigaretten zu. »Solange du nicht alleine bist.«
    Lucille steckte sich eine Zigarette an, und Laura griff sich die Fernbedienung. »Ich würde mir gern anschauen, ob die Kamera etwas aufgenommen hat, als Steerpike in dem dunklen Raum war.«
    Als Laura die Stelle erreicht hatte, sah man sie in der Tür zum Ballsaal stehen, dann schwenkte die Kamera und zeigte ins Dunkel.
    »Ich glaube, Sie können vorspulen. Es wird nichts anderes zu sehen sein. Erst ließ das Kameralicht nach, dann die Taschenlampe.«
    Laura reagierte nicht auf Steerpikes Vorschlag. Fünf Minuten lang tat sich nichts. Geräusche waren ebenfalls nicht zu hören   – nicht einmal Steerpikes Fußschritte auf dem Boden.
    »Schauen Sie   – da!«
    »Was soll da sein. Ich sehe immer nur Schwarz.« Lucillezündete sich eine neue Zigarette an der Restglut der soeben gerauchten an.
    »Nein, die Zeitangabe!«
    »O mein Gott!« Laura begriff.
    Der Zeitmesser auf dem Bild schien verrücktzuspielen. Um 14.   50.   12   Uhr blieb er stehen, lief dann in rasendem Tempo weiter bis 16.   02.   00   Uhr, um dort für mehr als eine Minute zu verharren und dann binnen eines Augenblicks auf 17.   00.   56   Uhr voranzupreschen. Dann geschah etwas Unvorstellbares: In regelmäßigem Sekundentakt lief die Zeit zurück, sprang um 16.   02.   00 in Stakkato-Abständen zurück auf 15.   27.   23   Uhr und lief dann wieder schnell vorwärts, bis eine Zahl erschien, die unerklärbar war: 38.   67.   25   Uhr. Diese sechs Ziffern blinkten mehrfach hintereinander auf, dann verwandelten sie sich schlagartig in eine weitere Zahlenkombination: 25.   53.   46   Uhr. Sie schimmerte in dunklem Rot, erhellte sich zu einem leuchtenden Orange   – und verschwand. Zu diesem Zeitpunkt waren anscheinend die Akkus der Kamera ausgefallen.
    Laura und Steerpike tauschten einen entgeisterten Blick, während Lucilles Gesichtsausdruck so undeutbar war wie der der Garbo in der letzten Einstellung von ›Königin Christine‹.
    »Können Sie sich das erklären, Steerpike?«, fragte Laura atemlos.
    Steerpike schüttelte bedächtig den Kopf. »Das scheint keinen Sinn zu machen.«
    »Sie waren auf einer Zeitreise.« Lucilles Stimme klang überzeugt und majestätisch.
    »So weit waren wir auch schon.« Jetzt war es ausgesprochen. Laura fühlte sich jedoch nicht befreit. Sie fröstelte. »Ich wollte gerade sagen, unmöglich, aber   –«
    »Irgendetwas ist tatsächlich in der Zeit geschehen   – oder mit der Zeit geschehen«, mutmaßte Steerpike.
    »Und jetzt? Rufen wir etwa beim Institut für Quantenphysik an und erklären das Haus zur Forschungszone?« Lucille machte sich eine Notiz auf der Fernsehzeitung. »Keinesfalls. Ich bin erschöpft und wäre dankbar für ein wenig Ruhe.«
    »Aber wir können doch nicht   –«
    »Wir können jetzt wieder zum Tagesprogramm übergehen. Und der nächste Menüpunkt heißt: Lucille ruht.«
     
    Steerpike stapelte Kaminholz in Lauras Schlafzimmer auf, während sie unruhig im Zimmer auf und ab ging.
    »Es wird mir einfach ein bisschen zu viel. Erst schleppt sie mich um die halbe Welt, dann landen wir im tiefsten Winter   – das alles wäre ja noch irgendwie erträglich, ich brauche nicht viel, ich kann aus allem etwas machen   –, aber was in diesem Haus geschieht, macht mich fertig. Ich bin am Ende. Ich will hier raus. Am liebsten jetzt sofort. Was da oben geschehen ist   … Steerpike, haben Sie sich einmal die Frage gestellt, was passiert wäre, wenn der Hund nicht bei uns gewesen wäre?« Sie blieb stehen und fasste sich an die Kehle.
    Steerpike war aufgestanden und hatte sich ihr zugewandt.
    »Macht Ihnen das etwa keine Angst? So gut kann Lucille Sie gar nicht bezahlen, dass Sie dafür Ihr Leben

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