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Ashby House

Ashby House

Titel: Ashby House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Ludewig
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Ferne glaubte sie ein leises Klingen zu hören, aber vielleicht spielte ihre Wahrnehmung ihr einen Streich. Der Gang durch die anderen Zimmer hatte sie warm gehalten, aber dieses Verharren ließ die unerbittliche Kälte wieder aufsteigen. »Steerpike, melden Sie sich, verdammt noch mal!« Ihr fiel etwas ein. Sie klopfte auf das Mikrofon ihres Headsets. »Lucille, hörst du mich?« Ein rasselndes Husten in ihrem Earpiece zeugte davon, dass ihre Schwester noch am anderen Ende der Leitung war. »Lucille, wach auf!«
    »Was?« Lucille räusperte sich. »Was ist los? Ist die Kamera ausgefallen?«
    »Was siehst du?«
    »Nichts. Stimmt etwas mit dem Licht nicht?«
    »Du meinst, der Bildschirm ist schwarz?«
    »Pechschwarz.«
    Hätte sie doch Steerpike mit dem Headset ausgestattet! Erneut setzte Laura einen Fuß in den Raum, brachte es aber nicht über sich, weiter vorzudringen. Eine feuchte Kälte schlug ihr entgegen und schien auf ihrer Haut zu gefrieren. Sie konnte in der Dunkelheit nichts erkennen, aber sie hätte schwören können, sich in einer Nebelbank zu befinden. »Steerpike!« Ein letztes Mal rief sie nach ihm, doch wieder blieb ihr Rufen unbeantwortet. Es klang, als verschlucke der Raum den Hall ihrer Stimme. Es kämpfte in ihr, sie wollte, sie konnte Steerpike nicht alleine lassen, doch dort, wo er jetzt war, konnte sie ihn offensichtlich nicht erreichen. Was sollte sie tun?
    Sie riss sich Headset und Earpiece vom Kopf, warf einen letzten Blick ins Nichts, drehte sich um und rannte die Treppen hinab ins Erdgeschoss.
     
    »Ich brauche ein Seil, ein langes Band, irgendetwas!«
    Die Panik in ihrer Stimme sprang auf Rose Marsh über. Die Köchin öffnete mit zitternden Händen eine Schublade und zog ein Bündel Paketschnur hervor. Kleine Schweißperlen standen auf ihrer Stirn, als sie Laura die Schnur in die Hand drückte.
    »Mehr!«
    Die Köchin stolperte fast, als sie sich beeilte, der Aufforderung nachzukommen. Sie zog einen Haufen weiterer Schnurbündel aus der Schublade und reichte sie Laura. »Kann ich sonst etwas   –«
    Laura wartete die Frage nicht ab, sondern stürmte die Treppen empor. Auf dem Weg in den zweiten Stock verfing sich ihr Mantel an einem Geländerpfosten, sie wurde niedergerissen und schlug mit der Stirn gegen eine Treppenstufe. Sie spürte, wie die Haut riss und das Blut heiß in die Wunde schoss. Ein pochender Schmerz nahm ihr kurz die Sinne, doch dann rappelte sie sich wieder auf. Sie wischte sich das Blut von der Stirn.
    An der Tür zum dunklen Zimmer stellte sie fest, dass sich nichts verändert hatte. Steerpike war immer noch nicht aufgetaucht. »Hallo? Können Sie mich hören? Ich gehe jetzt hinein!«
    Laura knotete ein Ende der Schnur an den Türknauf und nahm den Rest in die Hand. Sie schaffte es nur wenige Meter weit. Nichts, was sie je erlebt hatte, hatte sie auf das Gefühl vorbereitet, das der Raum in ihr auslöste. Er griff nach ihr, berührte sie mit feuchten Fingern, er schien das Blut zu riechen, das ihr über die Stirn floss. Sie konnte keinen Schritt weiter, denn sie wusste, der Raum würde sie verspeisen. Gleichzeitig war sie sich der Irrationalität ihrer Gedanken bewusst. Als Laura sich umdrehte, um den Rückweg anzutreten,setzte ihr Herz für einen Schlag aus. Obwohl sie nur wenige Schritte gemacht hatte, war die Tür weit entfernt. Sie schloss die Augen, öffnete sie wieder, doch noch immer hatte sich an der Entfernung nichts geändert, im Gegenteil, sie schien noch größer geworden zu sein.
    Die Schnur fest in der Hand lief sie hastig zurück ins Licht des Ballsaals. Für den Weg hinein ins dunkle Zimmer hatte sie Sekunden gebraucht, doch der Rückweg dauerte mehrere Minuten. Trotz der Kälte geriet Laura ins Schwitzen. Panikschweiß saugte sich in ihre Kleidung, und wieder war sie sich sicher, dass der Raum sie riechen konnte. Dass er hungrig nach ihr war.
    Erschöpft und verzweifelt erreichte sie den Ballsaal. Aus dem Earpiece auf dem Fußboden drangen quäkende Laute. Sie hatte jetzt keine Zeit für Lucille, sie brauchte dringend eine Lösung. Doch dann stand die Antwort plötzlich vor ihr.
    Mowglis undurchdringliche Augen sahen ihr ins Gesicht und begriffen. Er machte einen Schritt auf sie zu und setzte sich, um sich die Schnur umlegen zu lassen. Als der Hund sich unaufgefordert auf den Weg machte, entrang sich ihr ein Schluchzer.
    Schnell hatte die Dunkelheit das Tier verschluckt. Laura legte die Hände trichterförmig an die Mundwinkel. »Steerpike, wenn Sie

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