Ashby House
Schneematsch zu ihrem Auto zurück. Gerade als sie den Schlüssel ins Schloss steckte, hörte sie laute Motorengeräusche und ein Hupen. Sie warf sich gegen die Tür ihres Mini Coopers. Der vorbeirasende Wagen spritzte sie von oben bis unten mit Schneematsch voll, und sie spürte, wie das kalte Dreckwasser durch die Kleidung hindurch auf ihre Haut drang.
»Du blöder Wichser!«, rief sie und streckte dem Fahrer den Mittelfinger hinterher, doch das Auto war bereits um die nächste Ecke gebogen, nicht ohne dreimal hintereinander vergnügt gehupt zu haben.
Mit nackten Händen und fluchend wischte sie über ihren verdreckten Mantel.
»Laura?«
Sie schaute auf. Ausgerechnet in diesem Zustand musste Hector Slasher sie zu Gesicht bekommen.
»Ist Ihnen etwas passiert?«
»Irgendein Idiot hat meinen Mantel ruiniert. Und hat dann auch noch ganz lustig hinterhergehupt.«
»Kommen Sie herein und wärmen sie sich auf. Ich werde sehen, ob wir Ihren Mantel retten können.«
Langsam kehrten Lauras Lebensgeister zurück. Wenn es das Schicksal für nötig befand, sie in Dreck zu baden, dafür aber ein Zusammentreffen mit Hector Slasher vorsah, dann nahm sie die Schmutzdusche gerne in Kauf.
Slasher war offenbar gerade erst im Lokal angekommen. Er trug noch Mantel und Handschuhe, und unter den Arm hatte er eine Morgenzeitung geklemmt. Er half ihr aus dem schmutzigen Mantel und trug ihn zur Spüle in der Küche.
Laura folgte ihm und schaute sich diskret um. Der Raum war klein, aber effektiv genutzt und auf Hochglanz poliert.
Slasher breitete den Mantel auf einem Chromblock aus und nahm sich die Flecken mit Gallseife und einem sauberen Topfreiniger vor. »Am besten man macht es, solange die Flecken noch frisch sind«, erklärte er.
»Das ist lieb von Ihnen. Kann ich mich irgendwie nützlich machen?«
»Gerne. Da drüben steht die Espressomaschine, die Bohnen finden Sie im Schrank darüber. Ich könnte einen starken Kaffee gut gebrauchen. Wie sieht’s mit Ihnen aus?«
»Genau deshalb bin ich hergekommen.«
»Ist Ihnen zu Hause der Kaffee ausgegangen?«
»Nein. Ich musste nur einfach mal raus.«
»Ein Fall von Country-Koller?«
»Gewissermaßen … Außerdem habe ich ein paar Dinge im Dorf zu erledigen. Wissen Sie zufällig, an wen ich mich wenden muss, um einen Grundriss von Ashby House zu bekommen?«
»Ashby House? Warum ausgerechnet Ashby House?«
»Ich wohne zurzeit dort.«
»Ach, Sie sind also die Amerikanerin, die den Klotz gekauft hat?«
»Hat sich das schon herumgesprochen?«
»Der Gemeinderat trifft sich montags hier auf ein Bier. Da bekommt man das eine oder andere mit.« Er schenkte ihr ein Lächeln. »Die Erleichterung war groß, dass sich endlich ein Käufer gefunden hat.«
»Weshalb war es so schwer, das Haus zu verkaufen?«
Er zögerte. »Der Preis. Die notwendigen Renovierungen. Für Häuser in dieser Preiskategorie gibt es nicht viele Interessenten. In den vergangenen Jahren hat man es einige Male als Filmlocation vermietet, damit es nicht nur Steuergelder verschlingt.«
»Ich verstehe.«
»Wegen des Grundrisses wenden Sie sich am besten an Ihren Makler. Schauen Sie …« Er hielt den Mantel hoch und präsentierte stolz seine ersten Reinigungserfolge.
»Sieht sehr gut aus. Sie sollten nebenan eine Reinigung aufmachen.«
Beim Lachen blitzte ein Raubtiergebiss auf. Hatten alle englischen Männer spitze Eckzähne?
»Dabei dachte ich immer, Gastronom sei die allerletzte Berufswahl, die einem offensteht. Gut zu wissen, dass ich noch eine Option habe, falls das ›Star Inn‹ nicht bald besser läuft.«
»Was haben Sie vorher gemacht?« Laura schraubte die Espressokanne zu und stellte sie auf den Gasherd.
»Vieles. Ich war Nichtsnutz, Rumtreiber, habe das Geld meines Vaters
und
meines Großvaters verjubelt, habe ein bisschen spioniert, etwas geschrieben …«
»Eine typisch britische Karriere also. Fehlt nur, dass Sie Rennen gefahren sind.«
»Das vergaß ich zu erwähnen.«
»Polo?«
»Irgendwo muss man die Grenze ziehen.«
Laura lachte.
»Und Sie?«
»Was meinen Sie?«
»Wie ist Ihre Laufbahn? Dem Akzent nach zu urteilen, sind Sie ein West-Coast-Girl. Deshalb hat es Sie also in Enlgands westlichstes Dorf verschlagen. Von Küste zu Küste. Jetzt lassen Sie mich raten, wie eine so junge Frau in den Besitz eines solchen Prachtbaus gelangt.«
Sie hätte ihn gerne gebremst, wusste aber nicht, wie.
»Sie haben in der Werbung gearbeitet – als Model für …«, er legte den
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