Ashby House
Bettfedern, als sich etwas Schweres auf die Matratze warf, riss sie wieder aus ihrem Schlaf-Wach-Zustand. Sie schreckte hoch und sah Mowgli, der es sich am Fußende bequem machte. Sein Gewicht auf ihren Füßen gab ihr ein Gefühl der Beruhigung, und erst jetzt gestattete sie sich, sich ihrer Erschöpfung hinzugeben und den Schlaf zuzulassen.
Während sie schlief, machte sich Steerpike im Haus zu schaffen. Er überlegte, seinen Geliebten um Hilfe zu bitten, verwarf jedoch den Gedanken. Je weniger Fremde in diesem Moment in Ashby House waren (und, ja, der junge Mann aus dem ›Three Suns‹ war gewissermaßen ein Fremder), desto besser. Er beschloss, dass Rose Marsh ihm helfen könnte, die Kamine zu heizen, und machte sich auf die Suche nach der Köchin.
In dem kleinen Schwarzweißfernseher in der Küche lief ein Bildungsprogramm über Minenarbeit in Cornwall. Doch die Küche war leer, und der alte Aga-Herd war ausgegangen.
»Miss Marsh?«
Keine Antwort.
»Rose Marsh?«
Er meinte, ein Geräusch von draußen zu hören, aber bestimmt irrte er sich. Nachdem er die Vorratskammer und die anderen Räume abgesucht hatte, fand er sich in der Empfangshalle vor dem ovalen Spiegel wieder, der wie immer eine eigenartige Sogkraft ausübte. Steerpike betrachtete sich, wischte einen Staubfleck von seiner Schulter. Und da war es wieder. Ein kraftloses Rufen, es kam von draußen. Er drehte sich um, schritt auf die Eingangstür zu und riss sie auf.
Als Nächstes geschahen zwei Dinge nahezu zeitgleich. Zunächst winkte die füllige Frau, die am Boden der Treppe lag, ihm zu – und fiel anschließend in Ohnmacht. Neben ihr lag ein geöffneter Koffer, aus dem Kleidungsstücke herausgefallen waren, in denen nun ein leichter Wind spielte. Der Spur nach zu urteilen, die ihre Kleider machten – war das ein Mieder, das dort im Apfelbaum an der Auffahrt hing, eine Stützstrumpfhose im Rosenbusch? –, hatte sie schon eine Weile am Fuß des Haussteins gelegen. Ihr Knöchel, der in einer dicken Altfrauenstrumpfhose steckte, schwoll unter seinen Augen zu bemerkenswerter Größe an, und aus ihrem Gesicht war jede Farbe gewichen. Steerpike brach der kalte Schweiß aus.
Währenddessen wurde von der Römischen Straße her ein Motorengeräusch laut. Wer würde sich bei diesem Wetter auf den Weg nach Ashby House machen? Nur ein Wahnsinniger stieg bei Blitzeis in einen Wagen. Und dieser Wahnsinnige würde für seinen Wagemut bestraft werden. Gerade als Steerpike die Stufen zu der ohnmächtigen Frau hinuntergelaufen war und sich über sie beugte, sah er, wie ein übergroßer schwarzer Mercedes von der Römischen Straße viel zu rasant in die Auffahrt einbog. Auf der Landstraße stand eine fingerdicke Eisschicht, und der Fahrer war es offensichtlich nicht gewohnt, mit solchen Gegebenheiten umzugehen.Obwohl er bereits in der Kurve ins Schlingern geraten war, trat er aufs Gaspedal, brachte den Wagen endgültig ins Schleudern und setzte ihn mit einem lauten Scheppern gegen das eiserne Tor der Auffahrt, das knirschend einen Eistropfenregen auf die lädierte Limousine niederprasseln ließ.
Bei allem, was man über Ashby House sagen konnte – für jeden verloren gegangenen Menschen nahte umgehend Ersatz heran. Der Appetit des Hauses schien geweckt.
Sie wusste, dass sie wach war, und trotzdem glaubte sie, sie träume. In Lucilles Lieblingssessel am Kamin kauerte eine unbekannte alte Frau und stöhnte vor Schmerzen. Neben ihr setzte Steerpike gerade ein Tablett mit Tee und Sandwiches ab. Erst auf den zweiten Blick sah sie die von Kopf bis Fuß in schwarzes, weiches Leder gekleidete Männergestalt. Sie verschmolz fast mit den Schatten, und tatsächlich war es schließlich die Stimme, die ihre Aufmerksamkeit auf den Besucher lenkte.
»Es ist mir egal, was Weinstein sagt. Ich werde hier gebraucht. Jeder, der etwas auf sich hält, würde das Gleiche tun. Sag ihm, er soll einmal durchrechnen, wie viele Grundstücke er mir verdankt.«
Nach einer Pause, in der sein Gesprächsteilnehmer sprach, fügte er hinzu: »Das ist mir gleichgültig, Lorna. Ich verschaffe mir ein Bild, wie es ihr geht, und wenn ich so weit bin, komme ich zurück. Wir drehen in Berlin, da bin ich von hier in zwei Stunden, meine Güte.«
Stephen Steed hatte seine Drohung wahrgemacht. St. Just war endgültig von Hollywood-Royalty besetzt worden. Und Laura wusste nicht, ob sie sich freuen oder verzweifeln sollte.
Es gibt ein paar Dinge, die man über Stephen Steed
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