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Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)

Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)

Titel: Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilsa J. Bick
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halb aufgefressenen Arm.
    »Alex«, sagte er mit brechender Stimme. » Alex. « Er sank neben der toten Einarmigen auf die Knie. Sie lag mit dem Gesicht nach unten, die Haare wie ein Fächer im blutbefleckten Schnee. Beinahe widerwillig streckte er die Hand aus und drehte sie um.
    »Ach, Gott.« Kein Mädchen. Nicht einmal annähernd. Im matten Licht konnte er nicht sagen, wie alt sie war, aber ihre Wangen waren runzlig. Ihr Haar war kiesgrau und hing an einem großen Hautfetzen, unter dem von der Stirn bis zum Scheitel der Schädel, glatt wie eine Billardkugel, bloßlag. Ihre Nase war bis zum Knochen abgefressen. Auch die Augen fehlten.
    Mein Gott. Was für ein Elend. Er rang nach Luft. Schweiß lief ihm den Nacken hinunter; an Rücken und Brust klebten ihm seine Kleider an der Haut. Und er weinte: Sein ganzer Körper wurde von einem Schluchzen der Erleichterung geschüttelt. Hör auf, hör auf, hör auf! Er riss sich einen Handschuh herunter, rammte sich die Faust in den Mund und biss zu, bis er Blut schmeckte. Hör auf, du musst aufhören. Es ist nicht Alex. Es ist in Ordnung, wenn du froh bist, dass es nicht Alex ist, aber du musst –
    Und da. Ein Husten. Der Junge.
    Genauer gesagt, ein Gurgeln. Tom hörte das Blut plätschern und das zischende Geräusch bei jedem Atemzug des Jungen.
    Das holte ihn schlagartig in die Wirklichkeit zurück. Wer in Feuergefechten genug Kameraden fallen gesehen hat, erkennt einen Lungenschuss am Geräusch. Mit jedem Atemzug gelangte Luft in die Brust. Irgendwann würde der wachsende Druck das Herz zum Stillstand bringen, es sei denn, der Junge verblutete vorher, was gut möglich war.
    Er konnte das beenden. Tom starrte auf den Jungen hinab. Eine Kugel in den Kopf; ein schneller Schnitt durch die Halsschlagader. Beides wäre ein Akt der Gnade, einfach das Richtige. Zum Teufel, er könnte doch auch versuchen, den Jungen zu retten. Na ja, theoretisch jedenfalls. Er wusste, was zu tun war. Jeder Soldat wusste es. Jeder Soldat konnte es.
    Es gibt nicht »das Richtige«. Sein Verstand schien zu glühen, weiß und heiß wie ein Neutronenstern. Es gibt keine Gesetze, und es gibt keinen Gott. Es gibt nur das Hier und Jetzt, und was ich als Nächstes tue … Was ich als Nächstes tue …
    Die Augen des Jungen waren dunkle Höhlen, sein Gesicht grau. Im Schnee unter ihm breitete sich eine zähflüssige schwarze Lache aus. Wieder hustete der Junge. Blut trat aus seinem Mund und rann ihm über Kinn und Hals.
    Ich kann dich nicht retten. Er zog das Messer aus der Scheide. Nicht einmal ich kann das rechtfertigen.
    Tom riss den Parka des Jungen auf. Der Chucky wehrte sich nicht, starrte ihn nur aus obsidianschwarzen glänzenden Augen an. Von seinem Blut ging ein süßlicher, eisenartiger Geruch aus. Die Kugel hatte seine rechte Brusthälfte durchschlagen. Tom setzte sich rittlings auf den Jungen, fuhr mit der Klinge unterhalb des Brustbeins ins Fleisch und zog sie nach oben und nach links. Die Muskeln gaben ohne Weiteres nach, und er machte, so schnell er konnte. Noch zuckte der Junge, und Tom zögerte.
    Er konnte es tun. Der Knauf in seiner Hand pochte im Rhythmus mit dem Herzschlag des Jungen. Er musste es tun.
    Der Junge sah ihm in die Augen. Seine Lippen bewegten sich.
    »Nein, nicht«, sagte Tom, und dann rammte er ihm das Messer tief in die Brust, durchbohrte das Herz und drehte die Klinge herum.
    Ein Pochen.
    Noch ein Pochen.
    Pochen.
    Nichts.
    Der Junge starrte. Und starrte.
    Das Knurren des Hundes holte ihn zurück. »Nein, Raleigh«, sagte Tom. Er zog sein Messer heraus und stieß es immer wieder in den Schnee, bis die Klinge sauber war.
    Dann sah er zu, dass er von dort verschwand, so schnell es ging.
    Zwei Tage später war er in Michigan.

52
    Die Venus funkelte, einem harten Diamanten gleich, im Osten. Die Luft war staubtrocken und klirrte vor Kälte, als das Licht am Himmel verblich. Bald würde es ganz dunkel sein. Aber Tom musste sich das gut überlegen. Wenn die Entscheidung einmal gefallen war, gab es kein Zurück mehr.
    Im Schutz junger Birken und dichter Tannen betrachtete er die Farm durch das Visier der Bravo. Vor ihm lag eine ausgedehnte, leicht abfallende, schneebedeckte Wiese. Das zweistöckige Farmhaus war solide gebaut, aus einheimischem Naturstein und mit Dachgauben, sah aber ziemlich reparaturbedürftig aus. Schlaff hing eine amerikanische Flagge an der hohen Stange auf einer Anhöhe rechts vom Haus. Eine dünne Rauchfahne stieg aus dem baufälligen Schornstein, der

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