Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)
er doch selbst das Weite suchen musste, trotzdem verhüllte er Jeds Kopf, schulterte die Bravo und schleifte seinen Freund den Hügel hinauf.
Das Blockhaus bot ein Bild der Zerstörung: Übrig geblieben war nur ein Skelett aus versengten Balken, verkohlter Schutt trieb in einem Graben aus aufgetautem und wieder gefrorenem Schnee und Asche. Vorsichtig bahnte er sich seinen Weg von der Feuerstelle quer durch den Raum, bis er die Leichen fand. Es waren drei: geschwärzte Glieder, durch die Hitze verkrümmt und wie in Embryohaltung an den Körper gezogen, fleischlose Lippen in augenlosen Schädeln, die viel zu weiße Zähne entblößten. Dennoch war Grace leicht zu identifizieren, weil sie klein war und als einzige der Toten die rußigen Überreste einer Schürze und einen goldenen Ehering trug.
Er legte beide an eine schöne Stelle mit Blick auf den See – dann hielt er inne und starrte Jed an, während Raleigh winselnd an dem Toten herumschnüffelte. Tom hatte keinen Parka, Jed schon. Allein nur daran zu denken machte ihm ein schlechtes Gewissen, aber er brauchte nun mal die Jacke, und Jed nutzte sie nichts mehr. Verdammt, der alte Mann würde wahrscheinlich sogar darauf bestehen.
»Tut mir leid«, sagte er. Den mit gefrorenem Blut verklebten Reißverschluss zu öffnen dauerte seine Zeit. Schlimmer noch war es, den Parka von Jeds steif gefrorenem Körper zu zerren. Tom musste ihn wie einen Holzklotz hin- und herrollen. Die Jacke war ihm zu groß und roch nach Jed und Blut, aber sie erfüllte ihren Zweck. Mit Hilfe der Ziegel und Steine von den Kaminen baute er einen flachen Steinhaufen. Es hatte Bedenken, die Steinschicht könnte zu dünn sein, aber er tat sein Bestes.
Jed hatte ihm einmal erklärt, warum die Scharfschützen bei den Marines ihre Waffe Kate nannten. Es hatte nichts mit einem Mädchen zu tun. Kate hieß: »Kill all the enemy« – Töte alle Feinde.
Mit gespreizten Fingern legte Tom die Hand auf das Steingrab.
»Das kann ich«, sagte er.
Die geduldige Standardbred-Stute stand im Wald bei der Garage, die Jed zu einem provisorischen Stall umgebaut hatte. Wenn Dixie allein zurückblieb, würde sie verhungern. Das andere Pferd, Grace’ Shetland-Pony, war in Panik von der Klippe gesprungen und lag nun unten auf den Felsen. Das Pony musste tot sein, dennoch schulterte Tom die Bravo und kletterte hinunter, um sich persönlich davon zu überzeugen. Es kam nicht infrage, dass er sie leiden ließ.
Glücklicherweise hatte Jed das Futter für die Pferde und für Raleigh im Stall aufbewahrt und nicht im Keller des Blockhauses. Tom füllte Heupellets und Hafer in Satteltaschen und kippte Hundetrockenfutter in eine Segeltuchtasche. Nach Wisconsin brauchte man zu Fuß bei gutem Wetter vier oder fünf Tage, bei schlechtem eine Woche, vielleicht sogar länger. Mit dem Pferd wäre er schneller, aber wenn er den Hauptstraßen folgte, würde er sich nur Ärger einhandeln. Wo es einen Jäger gab, würden sich auch andere herumtreiben. Und er, Tom war eine Beute, für die sich ein Mord lohnte. Also musste er im Wald bleiben, und das hieß, er würde länger brauchen und längere Strecken zurücklegen müssen. Keine direkten Wege.
Trotz Jeds Rat hatte er nicht vor, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Man brauchte sich bloß anzusehen, was es Jed und Grace gebracht hatte, ihm zu helfen. Er wollte nicht für noch mehr Tote verantwortlich sein. Aber jetzt musste er auch an die Tiere denken. Seine eigenen Vorräte würden zwei Wochen reichen, das Tierfutter ging ihm aber bestimmt schon früher aus. Verdammt, noch ein Sturm und er steckte selbst im Schlamassel.
Im Stall holte er Jeds Liste und die Karten heraus, als Raleigh hereinkam und ein paar Streicheleinheiten haben wollte. Da standen drei Namen, gleichmäßig aufgereiht wie Perlen, zwischen hier und der Grenze und ein vierter in Michigan. Wenn er so weit kam, blieb ihm vielleicht nichts anderes übrig, als eine Pause einzulegen. Seufzend faltete er den Zettel zusammen und steckte ihn in eine Innentasche des Parkas. Kann so oder so ein Schuss in den Ofen sein.
Winselnd legte der Hund die Schnauze auf Toms Schoß. »Ja, ich weiß schon, alter Junge. Ist gut. Komm.« Er kraulte Raleigh hinter den Ohren. »Machen wir uns jetzt auf die Suche nach dem Mädchen.«
Nach vier Tagen Marsch war er immer noch in Wisconsin, im giftgrünen Schein der Mondsichel über sich.
Zu langsam. Er riss eine Packung mit mexikanischen Käsemakkaroni auf. In diesem Wald konnten sich Chuckies
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