Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)
Zufluchtsort auf dieser Insel. Kanada. »Mal sehen.«
»Hast du da Verwandte?«
Tom kippte die Karre aus und begann, den restlichen Mist herauszuschaufeln. »Nein. Ich muss nur jemanden finden.«
»Aha?« Wades Haar wurde schütter, aber seine Augenbrauen waren so dick wie haarige Raupen, und eine davon kroch nun zu seinem Haaransatz hoch. »Wo?«
»Ich weiß es nicht genau, aber … « Tom zögerte. Wenn ihn jemand nach seinem Ziel fragte, war er immer absichtlich vage geblieben. Warum, das wusste er selbst nicht so recht. »Das Letzte, was ich weiß, ist, dass sie nach Rule wollte.«
»Ein Mädchen? Nach Rule?«
Sein Tonfall ließ Tom aufhorchen. »Ist das ein Problem?«
»Das würde ich mir zweimal überlegen.« Wade nahm seine Brille ab – eine der großen hässlichen Armeerekrutenbrillen, denen nur Soldaten etwas abgewinnen konnten –, hauchte auf eins der dicken Gläser und rieb mit einem schmuddeligen roten Taschentuch darauf herum. »Auf dem Weg dorthin wimmelt es nur so von Chuckies. Mehr Ungeziefer als auf ’nem alten Straßenköter.«
Tom dachte an die beiden Chuckies, die er getötet hatte, und an die halb verzehrte Leiche der alten Frau. »Wie viele denn genau?«
»Ziemlich viele. Weißt du, Tom, ich will dir nicht in deine Angelegenheiten reinreden.« Wade klemmte die Brillenbügel wieder hinter die Ohren. »Aber es könnte dir sicher nicht schaden, noch ein paar Tage zu bleiben. Es riecht sowieso, als würde sich ein Unwetter zusammenbrauen.«
Falls Wade irgendetwas anderes als Schweinedung riechen konnte, kam das einem Wunder gleich. »Vielleicht sollte ich mich gerade dann auf den Weg machen. Die Chuckies werden sich wahrscheinlich irgendeinen Unterschlupf suchen, und bis Rule sind es bestenfalls ein paar Tagesritte. Wenn das Wetter hält, schaffe ich es sogar noch schneller.« Tom kratzte den letzten Mist heraus und legte die Schaufel wieder in die Schubkarre. Er musste immer noch den Kuhstall und den Pferdestall ausmisten, und wenn er noch vor dem Wetterumschwung aufbrechen wollte, sollte er schleunigst seine Sachen packen. »Ich weiß dein Angebot zu schätzen, aber ich muss wirklich morgen früh los.«
»Wie du willst.« Mit einem Achselzucken steckte Wade die Hände in die Taschen seines abgetragenen Stallmantels. »Ich sage nur eben Nikki Bescheid, dass sie dir ein paar hartgekochte Eier macht, und haben wir nicht noch etliche Gläser von … «
»Das ist nicht nötig, Wade«, sagte Tom, der jetzt ein schlechtes Gewissen bekam.
»Nichts da«, wies Wade seinen Einwand zurück. »Das ist doch das Mindeste.«
Als er bei den Hühnern angelangt war, konnte er nur noch im Licht einer Taschenlampe arbeiten. Das Stroh im Hühnerverschlag war seit Monaten nicht ausgetauscht worden, und der Ammoniakgestank haute ihn fast um. Für so einen nachlässigen Bauern nahm Wade es allerdings sehr genau mit der Misttrennung, denn die Hühnerkacke musste zum Kompostieren in den Wald gebracht werden.
Auch das noch . Die Schubkarre durch den Tiefschnee zu schieben war unmöglich, deshalb musste Tom erst mit den Schneeschuhen auf dem Pfad, den er und die Tiere schon getreten hatten, die obere Schneeschicht festtrampeln, damit die Karre nicht einsank. Beim Hinausgehen hatte er Nikki bemerkt, die mit einer Schüssel für den Hund zum Gemüsegarten ging, und sie hatten sich kurz zugewinkt. Als er jetzt die volle Schubkarre zum Wald bugsierte, leuchtete er mit der Lampe in den Garten und stellte fest, dass der Hund sich in seine Hütte zurückgezogen und die Schnauze in den Schwanz vergraben hatte.
»Ja, ja, mach du nur dein Verdauungsschläfchen«, brummte er, war aber auch erleichtert. Sollte sich der Hund ruhig den Bauch vollschlagen und richtig ausruhen, ehe es morgen wieder losging.
Als er gerade Maisschrot für die Hühner ausstreute, fiel ihm etwas auf.
Wade hatte wirklich jede Menge Futter: Gerste, Mais als Ganzkorn und als Schrot, gutes Heu. Nachdenklich betrachtete er die Handvoll Körnchen, wie sie ihm durch die Finger rannen. Woher hatte Wade das nur alles? Bei seinem einzigen Fuhrwerk war eine Achse gebrochen. Selbst wenn der Karren gut in Schuss gewesen wäre, hätte ihn ein einzelnes Pferd – nicht mal ein Brauereipferd – kaum über eine längere Strecke durch den Tiefschnee ziehen können. Außerdem gab es hier gar nicht so viele Tiere, dass all das Futter nötig gewesen wäre. Auch wenn Wade behauptete, seinen Schweinebestand vergrößern zu wollen, so hatte er doch gar nicht die
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