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Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)

Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)

Titel: Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilsa J. Bick
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geöffnet, und sie wusste, dass sie schrie, aber sie hörte es nicht, und eine verrückte Sekunde lang dachte sie, das Brüllen des Wassers sei zu ihrer Stimme geworden.
    Schreiend stürzte sie hinab, und ihr letzter Gedanke vor dem Aufprall war: Füße zuerst.
    Sie schlug aufs Wasser auf.

TEIL VI
    DIE TEUFELSTÜR

89
    Manchmal wimmerte er. Das war für sie der einzige Hinweis darauf, dass er noch lebte.
    Sie saß die ganze Nacht bei ihm. Vielleicht hätte sie Hilfe holen sollen, aber sie hatte solche Angst, dass sie sich nicht von der Stelle rühren konnte. Ein paar Mal rief sie seinen Namen. Oder zumindest glaubte sie, das getan zu haben. Einige schreckliche Sekunden lang konnte sie sich weder an seinen noch an ihren eigenen Namen erinnern, und das verängstigte sie noch mehr.
    Dann, viel später, gab er gar keinen Laut mehr von sich.
    Sie wartete. Und wartete. Die Dunkelheit wurde körnig und grau, als sich der kränkliche Mond nach Westen schob und die Nacht allmählich verblasste. In dem gespenstisch nebelhaften Licht schimmerte das Holz in trübem Weiß. Sie sah, dass es nicht zu einer Tür gehörte, denn es waren mit schwarzer Farbe ein Bogen und darüber drei spitz zulaufende Strahlen aufgemalt, wie eine hinter einem fernen Horizont untergehende Sonne. Auch dafür gab es einen Namen. Wie hieß das doch gleich? Es fiel ihr einfach nicht ein. Warum bloß nicht?
    Sie wartete, schlaflos, mit geröteten Augen. Frierend. Die Schultern hochgezogen, die Arme verschränkt. Ihre Angst war ein salziger, metallischer Geschmack im Mund. Außerdem hatte sie Hunger. Die Schlange in ihrem Bauch wand und krümmte sich. So hungrig. Das Bedürfnis war schon seit geraumer Zeit immer stärker geworden. Sie hatte beschlossen, nicht darüber nachzudenken. Aber jetzt, da sich die Morgendämmerung als weißer Streifen abzeichnete, konnte sie es nicht mehr ignorieren.
    Bald Morgen. Tagesanbruch. Sie konnte hier nicht bleiben.
    Aber … er hatte einen Geruch. Er ist – sie sog ihn ein, und das Wasser lief ihr im Mund zusammen – Nahrung.
    Nicht.
    Doch.
    Nicht.
    Doch.
    Langsam, vorsichtig, kroch sie auf allen vieren näher heran. Der Wind ließ ihre Wangen brennen. Plötzlich war die Luft erfüllt vom Geruch von Eisen und Fleisch. Er lag tief im Schnee, und sie begann mit beiden Händen am Rand des Grabens zu buddeln. In der Vertiefung war es erstaunlich warm und sein Geruch so stark, dass sich ihr Magen zusammenzog.
    Halt. Du bist immer noch du. Tu’s nicht.
    Sein Gesicht war von ihr abgewandt, seine Rollmütze schief hochgerutscht. Als würde er unter einer Art Leichentuch liegen, dachte sie. Das machte es leichter. An seiner Hüfte, wo das Holz auf ihn gekracht war, entdeckte sie einen unregelmäßigen dunklen Fleck. Sie schaufelte mit ihren Händen einen scharlachfarbenen Eisbrocken heraus, führte ihn zum Mund und schlürfte sein noch warmes Blut.
    Nicht.
    Warm. Doch.
    »Halt«, ermahnte sie sich und warf dann die blutige Handvoll Eisschnee fort. Magensäure stieg ihr in die Kehle, ihr Magen hob sich, und sie musste sich übergeben. Da sie aber seit zwei vollen Tagen nichts gegessen hatte, war da kaum noch was.
    Und von ihr selbst war auch kaum noch was übrig.
    »N-nein«, sagte sie. Mit weichen Knien erhob sie sich, taumelte zurück, weg von dem Blut und der Versuchung, weg von seinem Fleisch, seinem Geruch, seinem Duft. »Nein. Halt. Lauf. Er hat doch gesagt, ich soll … «
    Irgendwo ein Stück weiter vorn auf dem Weg nach … nach … Wohin hatten sie gewollt? Sie wusste es nicht mehr. Aber das Geräusch, das kannte sie.
    Hunde. Dem Lärm nach zu schließen mehr als einer, und große. Und sie hörte auch die Aufgeregtheit aus ihrem Kläffen heraus, weil sie sie rochen und ihrer Witterung folgten.
    Sie musste hier weg. Wo Hunde waren, konnten auch Leute sein, und sie durfte sich nicht erwischen lassen. Man durfte sie nicht sehen, sie musste …
    Von hinten kam ein tiefes, bedrohliches Knurren. Lena unterdrückte einen Schreckensschrei. Die feinen Härchen an ihrem Nacken und ihren Armen stellten sich auf, und sie zwang sich dazu, sich ganzlangsam und vorsichtig zu bewegen. Zentimeter für Zentimeter wanderte ihr Blick nach rechts.
    Der Hund war viel näher, als sie gedacht hatte. In ihrer Panik schätzte sie die Entfernung falsch ein, doch darauf kam es eigentlich nicht mehr an. Mit der schwarzen Schnauze und diesen spitz aufgerichteten Ohren ähnelte er einem deutschen Schäferhund, aber das übrige Fell war rötlich-braun

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