Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)
Verletzung gesagt hatten. Aber warum?
»Ich hab’s«, verkündete Greg. Das olivgrüne Walkie-Talkie war ein unhandlicher Kasten mit einer biegsamen Antenne. Den Kopf zur Seite geneigt, lauschte Greg dem Klicken, dann blieb ihm vor Schreck der Mund offen stehen. »Ach du Scheiße.«
»Was ist?« Da hörte Lena eine Tür schlagen und sah, wie Nathan und John die Treppe herunterstürmten und zu ihren Pferden rannten. Auch John hatte ein Funkgerät in der Hand. Ihr Magen verkrampfte sich vor Angst. » Was ist , Greg?«
»Peter.« Gregs Gesicht war aschfahl. »Es ist Peter .«
10
W as jetzt? Wir haben’s total vergeigt«, sagte Tyler, während sich sein Pferd über das zerfurchte Eis tastete. Der Bursche behauptete, er sei vierzehn, was Peter für gelog en hielt. Doch der Junge hatte Stehvermögen , und das war ein Glück. Die meisten von Peters Männern waren alte Knacker, die jagen und mit ihren Waffen umgehen konnten, mehr aber auch nicht. Nur zwei, Lang und Weller, die in der Woche nach dem Weltuntergang nach Rule gekommen waren, hatten Kampferfahrung. Ein weiterer Glücksfall. Die beiden waren ergraute Vietnam-Veteranen und hatten in derselben Einheit gedient. Nachdem er das gehört hatte, gewährte er ihnen sofort Einlass. Lang stammte aus Wisconsin, aber Weller war aus Michigan und hatte früher in dem alten Eisenerzbergwerk südlich von Rule gearbeitet. Natürlich lag das ewig lang zurück, Weller hätte Peters Großvater sein können, war also echt steinalt. Aber Lang und Weller waren gute Männer, die nicht nur mit Waffen umgehen konnten, sondern auch etwas von Kampftaktik verstanden. In Zeiten wie diesen konnte man um solche Männer nur froh sein.
Auch die alte Yeager-Mine stammte aus grauer Vorzeit, sie war seit Jahrzehnten geschlossen und verbarrikadiert, um Neugierige fernzuhalten. Wodurch sie natürlich der Anziehungspunkt für Kinder und Jugendliche wurde. Erst nachdem Peter Hilfssheriff geworden war, erkannte er, welch heimtückische Todesfalle diese Mine war. Aber in seinen Jugendjahren war sie eine unwiderstehliche Verlockung gewesen: ein sagenhaftes Gewirr aus halb verfallenen, labyrinthartigen Gängen, so dunkel und geheimnisvoll wie römische Katakomben. Dass er tatsächlich bei einem Einsturz umkommen könnte, dass er bei einem falschen Schritt in einen verborgenen Rettungsschacht oder ein vergessenes Sprengloch fallen könnte und wie ein blutgefüllter Ballon auf den Steinen zerplatzen oder, noch schlimmer, sich nur die Beine brechen würde, sodass er langsam und qualvoll verdurstete; dass ein Tunnel manchmal in wenigen Minuten – und viel schneller, als ein Jugendlicher rennen konnte – mit Wasser volllief; dass man durch das Sumpfgas ohnmächtig werden und ersticken konnte, ehe man überhaupt merkte, was da mit einem geschah – all das machte den Reiz nur umso größer. Peter und seine Freunde – und später auch ihre Freundinnen – hatten dort viel Zeit mit Erkundungen, Feiern, Rauchen und Trinken zugebracht. Und mit Knutschen. Es gab ja so viele interessante Sachen, die man im Dunklen tun konnte. Und jedes Kind in der Umgebung kannte das Bergwerk, was, wie Peter jetzt klar wurde, einiges erklärte.
»Wir waren nicht schlecht«, sagte Peter zu Tyler, doch er machte sich Sorgen. Nicht schlecht hieß im Grunde: nicht gut genug, um die Leute bei der Stange zu halten. Von den vier Pferdewagen waren nur zwei beladen. Einer schwankte unter der Last von etlichen Zentnern benzingetränktem Heu – das wahrscheinlich nicht mehr zu gebrauchen war, obwohl Peter hoffte, dass das Innere der Heuballen vielleicht doch noch zum Viehfutter taugte – und vier blökenden Schafen. Der andere war gerammelt voll mit einem Sammelsurium aus Propangasflaschen, ein paar Signalfackeln, Gemüsekonserven, Säcken mit Mehl und getrockneten Bohnen und Speiseöl in Flaschen. Dazu hatten sie irgendwelches grässliches Zeug aus einem schäbigen Asien-Shop bei Clam Lake in Wisconsin geborgen: Dosen und Gläser mit Etiketten von unsäglichen Dingen, von denen Peter nicht mal gewusst hatte, dass man sie essen konnte.
Das Problem war, dass er auf die Kooperation mit den anderen Siedlungen angewiesen war. Rule hin oder her: Wenn er diese Vorposten – die Weiler, die zu klein für ein eigenständiges Dorf waren, aber groß genug, um Nutzen aus ihnen zu ziehen – nicht mit ein paar Vorratslieferungen ruhigstellen konnte, würden sie sich nicht mehr an ihren Teil der Abmachung halten. Und wenn das passierte, dann gute
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