Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)
zu legen. Vielleicht war es an der Zeit, die Siedlung langsam aufzulösen und sichere Zufluchtsorte zu suchen, wo sie die jüngeren Kids verstecken konnten, wenn …
Unter ihm machte Fable plötzlich einen hastigen, ruckartigen Schritt, und im selben Moment schrie Tyler auf und stürzte kopfüber nach vorn, einen Fuß noch im Steigbügel, während sein Pferd aufs Eis knallte. Peter schnellte vor und versuchte den Jungen noch zu fassen zu kriegen, aber da wurde auch Fable der Boden unter den Beinen weggerissen. Die Stute schlug hart und mit solcher Wucht auf, dass Peter ein Krachen hörte, wie wenn man einen Ast über dem Knie zerbricht.
Fable stieß ein hohes, heulendes Wiehern aus.
Einen Sekundenbruchteil später flog Peter durch die Luft.
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P eter konnte keinen klaren Gedanken fassen, geschweige denn reagieren. Das Weiß raste auf ihn zu, er schlug hart auf dem Eis auf, und einen Moment lang setzte seine Wahrnehmung völlig aus, wie bei einem Handy im Funkloch. Eine Lücke, ein plötzlicher Zeitsprung, bevor er langsam wieder zu sich kam. Alle seine Glieder kribbelten und schmerzten, als würde etwas mit Zähnen und Klauen über ihn laufen. Irgendjemand rief seinen Namen, aber er konnte nicht antworten. Jeder Atemzug war ein mühseliger Kampf. Und sein Pferd wieherte noch immer, o Gott , die heiseren Töne aus Fables Maul taten ihm so weh, als würde man ihm Nägel in den Schädel treiben.
»Fable«, krächzte er, der Name der Stute kaum mehr als ein Hauch. Wo war sie? Er wälzte sich auf den linken Arm und reckte den Hals, um bergauf zu sehen. Ihm blieb fast das Herz stehen.
Jämmerlich wiehernd vor Schmerzen und Angst lag Fable ausgestreckt auf dem Rücken, sie zuckte und strampelte mit drei Beinen in der Luft. Doch ihr rechtes Vorderbein … o nein . Kummer und Mitleid packten ihn, denn da war nur noch ein zerschmetterter blutiger Knochenstumpf, aus der durchtrennten Arterie schoss eine Blutfontäne, die in breiten Rinnsalen ins Eis sickerte und sich in den Spurrillen sammelte, sodass sich die Straße hellrot färbte. Fable war schon tot, das arme Tier wusste es nur noch n…
Zu seiner Linken, ganz am Rand seines Gesichtsfelds, sah Peter einen winzigen weißen Geysir aus dem Schnee spritzen. Verwirrt dachte er: Ein Tier? Doch nur einen Sekundenbruchteil später hörte er ein klares einzelnes Knacken, dem ein langes Zischen folgte.
Sofort wusste er, was vor sich ging, denn eine Hochgeschwindigkeitskugel ist schneller als Schall.
»Peter!« Das war Weller, irgendwo hinter ihm oben auf dem Berg. »Schützen! Beweg dich, hau ab! «
Obwohl immer noch jede seiner Muskelfasern schier vor Schmerzen brüllte, rollte sich Peter auf den Bauch und stützte sich auf Hände und Füße. Tyler – Tyler wurde abgeworfen; also wo ist der Junge, wo steckt er? Hastig schaute er über die linke Schulter und sah etwa zwanzig Meter entfernt das Pferd des Jungen bewegungslos im Schnee liegen. Ein einziger Blick genügte: Das Tier war tot, sein Hals verdreht, und seine hervortretenden Augen starrten blicklos bergauf, ihm entgegen. Von Tyler nirgends eine Spur.
Nun wirbelte Schnee zu seiner Rechten auf. Eis stob in scharfkantigen Stücken auf wie zerbrochenes Glas und ritzte seine Wangen. Dann hörte er mehrfaches Knacken und sirrendes Zischen, als die Kugeln vorbeipfiffen. Wieder eine Schneefontäne, darauf ein Knacken und Zischschsch . Er schätzte ab, in welchem Winkel die Kugeln auf den Schnee trafen, und dann wusste er, wo die Schützen lauerten.
Links von mir, hoch oben, sie schießen nach unten. Aber warum bin ich noch nicht tot? Sie müssten mich längst erwischt haben.
»Peter!« Wieder Weller, neben dem dritten Karren und seltsamerweise immer noch rittlings auf seinem tänzelnden Rotschimmel. Dahinter eine Menge Männer auf Pferden inmitten einer Meute kläffender Hunde, dazu das stakkatoartige Stampfen von Pferdehufen. »Peter, ich komme … «
»Nein, bleib, wo du bist!«, rief Peter hektisch gestikulierend. »Sie sind links oben am Berg! Geht alle hinter den Karren in Deckung!«
Knack – und dann fast gleichzeitig das schrille Wiehern eines Pferdes, das vor den ersten Karren gespannt war. Im Bruchteil einer Sekunde brach das Tier zusammen, es war schon tot, bevor es zu Boden ging. Sein Gewicht drohte das andere Pferd des Gespanns mitzureißen, das ins Straucheln geriet, während der Kutscher verzweifelt versuchte, das Tier unter Kontrolle zu halten.
Und da sah Peter den Stacheldraht, der sich in exakt
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