Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)
Glaubst du, Alex würde einer alten Frau so etwas antun?«
»Wer weiß«, fauchte Sarah und hievte ein Heizgerät aus einem Küchenschrank. »Jess kann ganz schön stur sein. Und du hast ja auch einiges angestellt, als du abhauen wolltest.«
Lena wurde feuerrot. »Das war was anderes. Das war ein Wachmann, so ein alter Kerl.«
»Ich kann’s mir trotzdem gut vorstellen. Ich glaube, Alex schreckt vor nichts zurück. Schließlich hat sie ja auch Veränderte umgebracht.«
»Das ist nur Gerede.«
Sarah bedachte Lena mit einem selbstgefälligen Grinsen. »Peter sagt was anderes.«
Klar, natürlich musste Sarah Peter ins Spiel bringen, nur um ihr eins reinzuwürgen. Dass Peter etwas mit Sarah hatte, tat ihr jetzt nicht weniger weh als früher, was sie auch nicht überraschte. Zugegeben, sie hatte Peter benutzt. Aber nicht alles, was zwischen ihnen gewesen war, war nur vorgetäuscht – damals so wenig wie heute.
»Tori, hilf mir mal«, befahl Sarah und wandte sich dann an Lena: »Du sorgst für das Feuer im Ofen. Sobald der Gasheizer brennt, kümmere ich mich um Jess.«
Lena lag eine Widerrede auf der Zunge, sie sagte aber nur: »Wir brauchen mehr Holz.« Ohne eine Antwort abzuwarten, schlüpfte sie in ihren Mantel, nahm den gut gefüllten Ascheneimer und eilte nach draußen. Doch anstatt hinters Haus zu gehen, stellte sie den Eimer ab, duckte sich und sprintete den vereisten Fußweg entlang zur Straße. Zum Teufel mit all denen. Sie würde jetzt Kincaid hol…
»He!«
Keuchend schaute Lena hoch, doch zu spät – sie stieß mit dem Gesicht so hart gegen die Brust des Jungen, dass sie zurückprallte und rücklings aufs Steißbein fiel.
»Hoppla! Hey, Lena, alles okay?« Greg kniete sich neben sie, während sein Golden Retriever in Angriffshaltung ging und sich vorbeizuzwängen versuchte. »Daisy, zurück. Platz!«
»Au.« Ihr Hintern schmerzte ziemlich. Doch wenn sie Greg ins Haus lotsen konnte, hatte sie vielleicht eine Chance. Sie nahm seine ausgestreckte Hand und ließ sich aufhelfen. »Ja, alles in Ordnung. Entschuldige. Was machst du hier?«
»Ich hab die Trage gebracht … Daisy, aus !« Der Junge packte den knurrenden Hund am Halsband und drückte ihn zu Boden. »Sitz! Was ist denn bloß los mit dir? Mannomann.« Zu Lena sagte er: »Ich musste den ganzen Weg zu Fuß latschen, weil ja alle Pferde da draußen gebraucht werden. Ähm … ist Chris drin? Ich hab Night gesehen.«
»Ja, er – «
»So ein Mist.« Greg schaute unglücklich drein. »Er ist bestimmt stocksauer, weil ich Alex im Krankenhaus allein gelassen habe.«
»Moment, was? Wann denn?«
»Gestern Nacht. Eigentlich sollte ich dort warten, bis sie fertig war, und sie dann nach Hause begleiten, aber ich war total erledigt, und da meinte sie, ich könnte ruhig schon gehen. Das einzige Mal, wo ich nicht dageblieben bin, und ausgerechnet dann kommt Chris früher zurück!«
»Greg, Alex ist verschwunden.«
»Was?« Die Augenbrauen unter Gregs erdbraunem Lockenschopf zogen sich zusammen. »Kann nicht sein. Sie ist doch beim Doc.«
»Nicht mehr.« Da kam ihr ein Gedanke. »Sag mal, Greg, seit wann bist du denn zurück? Warum warst du im Krankenhaus?«
»Chris und ich und ein paar andere Männer haben uns vor ein paar Tagen an der Grenze zu Wisconsin von Peter getrennt und sind nach Norden geritten. Und haben diesen Jungen hergebracht.«
Also hatten sie tatsächlich einen Verschonten gefunden. Lena musste sich beherrschen, Greg nicht am Kragen zu packen. »Wo?«
»In irgend ’ner alten Scheune nordwestlich von Oren. Es hatte ihn ziemlich schlimm erwischt. Als wir nur noch ein paar Kilometer vor Rule waren, setzte sein Herzschlag aus.«
Lena hoffte, dass man ihr ihre Verzweiflung nicht ansah. »Ist er … ?«
»Keine Ahnung. Aber es hat nicht gut für ihn ausgesehen. Der Doc und Alex haben ihn bestimmt sechs oder sieben Stunden lang operiert, danach war der Doc fix und fertig, und sie ist noch geblieben. Bist du sicher, dass sie weg ist?«
»Ganz sicher. Es heißt, sie ist abgehauen. Nathan behauptet auch, sie habe Jess niedergeschlagen.«
»Was? Alex? Ausgeschlossen. So was würde sie nie tun.«
Insgeheim dachte Lena, dass man so etwas nie wirklich sagen konnte. Hätte man sie vor ein paar Jahren – bevor ihr Stiefvater in ihr Leben getreten war – gefragt, ob sie je den Mut haben würde, ein Fleischermesser in ihrem Ärmel zu verstecken, hätte sie sich nur an die Stirn getippt. »Greg, wie kann es sein, dass du von alldem nichts
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