Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)
zu bellen.
»Genug, das reicht!« , schrie Yeager. Auf den faltigen Wangen des Alten zeichneten sich dunkelrote Flecken ab. »Hör auf, Weller! Wir brauchen erst noch ein paar Antworten. Danach kannst du mit ihm machen, was du willst, aber hör jetzt auf .«
»Reverend, Sie … Sie verstehen nicht.« Schnaufend richtete sich Weller auf. Nathan lag reglos wie ein Embryo auf dem Boden. »Die Männer, die die Zone bewachen, John und Randy und Dale – die hängen auch mit drin. Stimmt’s, Nathan?« Weller trat Nathan noch einmal in den Bauch, worauf dieser grunzend aufstöhnte. » Stimmt’s? «
»Wenn du ihn jetzt umbringst, nützt er uns gar nichts mehr«, sagte Yeager. »Aber du bekommst deine Revanche, das verspreche ich dir.«
»Lass ich mir garantiert nicht entgehen«, fauchte Weller und wischte sich Blut aus dem Gesicht. »Reverend, wir müssen uns diese anderen Kerle schnappen, bevor sie noch abhauen. Und an Ihrer Stelle würde ich ein paar Männer bei Jess postieren.«
»Sie stellt keinerlei Bedrohung dar«, wandte Kincaid ein. »Die Frau liegt im Koma. Ohne Geräte und ohne Strom kann ich sie ohnehin nur mit Mühe stabil halten. Und habe auch kaum die notwendigen Medikamente dafür.«
»Tja, und wie das Mädchen schon gesagt hat, es ist doch ein sonderbarer Zufall«, meinte Weller. »Woher sollen wir denn wissen, dass Sie ihr Koma nicht künstlich verlängern mit all Ihren Medikamenten?«
Auf Kincaids Gesicht malte sich ehrliches Erstaunen. »Was redest du da? Ich habe einen Eid geschworen.«
»Ja, aber wahrscheinlich nicht auf Rule«, sagte Weller. Und zu Yeager: »Das Mädchen hat noch in einer anderen Hinsicht recht – Kincaid und Jess sind wirklich dicke Freunde. Ich denke, wir sollten sie im Auge behalten. Vielleicht wacht Jess ja auf, wenn wir Kincaid nicht in ihre Nähe lassen.«
»Oder auch nicht«, erwiderte Kincaid. »Reverend, wenn Sie mich davon abhalten, meine Arbeit zu tun, wird sie womöglich sterben.«
»Vielleicht hat sie genau das verdient. Geh, Weller, tu, was du für richtig hältst«, sagte Yeager. Als Weller durch die Tür verschwand, wandte er sich an Chris. »Auch du wirst ernten, was du gesät hast. Das ist dir doch klar?«
»Ja«, antwortete Chris. In seinen Ohren klang seine Stimme fest, aber er spürte die Schweißperlen auf seiner Oberlippe. Wieder einmal brach die Welt, wie er sie kannte, in sich zusammen. Er hatte es mit eigenen Augen mitangesehen, hier in diesem Zimmer. Nathan und Jess und … und Kincaid ?«
Sie haben Alex umgebracht. Sie haben sie aus Rule fortgeschickt und in die Zone hinein. Und damit ermordet . Ebenso gut hätten sie ihr ein Gewehr an den Kopf halten und abdrücken können.
»Gut«, fuhr Yeager fort. »Denn es würde mir nicht gefallen, wenn irgendein Blutsverwandter von mir, wie verdorben er auch sein mag, ein Dummkopf wäre. Du hast dich mir widersetzt; du hast dich mit denen gemein gemacht, die mir, dem Rat und Rule schaden. Du hast mir den Gehorsam wegen eines Mädchens verweigert, und das dulde ich nicht. Alex ist ebenfalls erledigt. Falls sie zurückkehrt, werde ich ihr die Aufnahme verweigern, sie wird hier keine Zuflucht finden.«
»Sie wird bestimmt nicht bei dir angekrochen kommen. Sie hat sich auch davor allein ohne unsere Hilfe durchgeschlagen und wird es wieder tun.« Mein Gott, wenn er nur selbst daran glauben könnte.
»Kennst du sie so gut?«
»Ich weiß, was ich für sie empfinde.« Er zwang sich, dem Blick seines Großvaters standzuhalten. Alexhätte dem Alten Paroli geboten, sie hätte niemals klein beigegeben. Und ebenso wenig würde er es tun. Sobald er eine Gelegenheit dazu hatte, würde er ihr folgen, denn vielleicht gab es ja doch noch eine Chance. »Das kannst du mir niemals nehmen.«
»Stimmt. Aber dich nehme ich mir noch vor.« Yeagers Blick schweifte zu Kincaid und Lena und richtete sich dann wieder auf ihn. »Euch alle.«
18
A n diesem Abend herrschte »Dreckswetter«, wie Brecher-Karl es genannt hätte. Die großen Kaltblüter bekamen einen Anfall, sie tänzelten und traten aus, als die Wachmänner sie auf die Laufplanken trieben, und wären beinahe sonst wohin davongaloppiert, wogegen Lena gar nichts einzuwenden gehabt hätte. Vorn an dem offenen Fuhrwerk schaukelte eine einsame Laterne hin und her, während ein immer heftigeres Schneetreiben einen dichten, bauschigen Vorhang aus wirbelndem Weiß bildete, der alle Geräusche dämpfte. Sie hätten ebenso gut in einem Tornado unter einer Glasglocke oder in
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