Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)
Panikattacke raubte ihm den Atem. »Versch…« Am liebsten hätte er losgeheult. Seine Zunge war geschwollen, nichts als ein Fleischlappen, der ihm nicht gehorchen wollte. »Versch-w-w…«
»Verschwommen?« Wassertropfen benetzten seine Stirn. »Mach die Augen wieder zu … gut. Lass ihnen ein paar Minuten Zeit, ja? Ich musste dir PCP geben, ein Tier-Anästhetikum. Tut mir leid, aber was Besseres haben wir nicht. Nur gut, dass du so kräftig bist und ein junges Herz hast, sonst würden wir uns jetzt nicht unterhalten.«
Das Tuch fühlte sich angenehm kühl und feucht an. Er hörte auf, sich zu wehren, und ließ sie machen. Ein Gluckern und Plätschern, dann tupfte sie ihm die Stirn ab, das Gesicht, den Nacken. Ihre Finger nestelten an seinen Knöpfen, anschließend wischte sie ihm auch über die Brust. Dieses Mal stöhnte er vor Erleichterung.
»Ja, ich wette, das tut gut.« Das Tuch war wieder weg, und sie zog ihm das Hemd über die Brust und legte ihm eine raue Decke über, die nach Tod und alter Wolle roch. »Versuch jetzt, die Augen zu öffnen.«
Er gehorchte. Seine Sicht war immer noch verschwommen, aber über sich erkannte er grünen Stoff. Ein Zelt. Sein Blick wanderte zu einem Metallpfosten an seiner linken Schulter, wo eine Flasche mit klarer Flüssigkeit hing, aus der etwas durch einen Plastikschlauch in die große Vene an seiner Armbeuge geleitet wurde. Lederriemen mit soliden Metallschnallen waren um seine Handgelenke gebunden. Aus dem Druck an seinen Knöcheln schloss er, dass auch seine Füße fixiert waren.
Irgendeine Art Lazarett . Er lag unter mehreren Decken auf einer Metallliege, die sich zu leicht und etwas kippelig anfühlte, wie diese fahrbaren Tragen, die Rettungssanitäter benutzten. Die Luft roch kühl und feucht. Militär?
»Besser?« Über ihm und zu seiner Linken nahm das Gesicht der Frau Form an. Sie war nicht dick, aber stämmig. Das Haar hatte sie im Nacken zu einem festen Knoten gebunden. Ihre Augen waren dunkel, die Gesichtshaut wettergegerbt. Sie war viel älter, als er gedacht hatte, Mitte siebzig oder Anfang achtzig. Ihre Klamotten stammten aus einer anderen Zeit, wie aus einem Secondhandladen der Army, aber der linke Schulterstreifen sah aus wie neu: eine Flagge der Konföderierten, und genau in der Mitte des Kreises aus dreizehn Sternen eine römische Drei.
O Scheiße. Bevor die Welt den Bach runterging, war er Hilfssheriff gewesen. Deshalb wusste er genau, was dieser Schulterstreifen bedeutete.
»Wer seid ihr?«, flüsterte er.
Zu seiner Rechten ertönte erneut die Donnerstimme. »Entspann dich, Junge, du bist unter Freunden. Muss allerdings zugeben, dass du uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt hast.« Der Mann hatte einen massigen Körperbau und einen riesigen Kopf, ähnlich einem Granitblock, mit Bewuchs aus dichtem weißem Haar, das kurz geschoren war und bürstenartig abstand. Sein fassförmiger Brustkorb war so gewaltig, dass die kräftigen Arme wie bloße Anhängsel wirkten. Er war nicht groß, wirkte mit seiner kompakten Statur aber stark wie ein Ochse. Seine Uniform war eine andere: von Kopf bis Fuß pechschwarz, aber mit demselben Schulterstreifen und je einem gelben Stern auf den Kragenenden der fleecegefütterten schwarzledernen Bomberjacke. Ein klobiges Walkie-Talkie – dasselbe altmodische Modell wie aus den Armeerestbeständen von Rule – klemmte an der linken Hüfte des alten Mannes. Im Holster an seiner rechten Seite schimmerte matt der Perlmuttgriff eines Revolvers.
»Warst acht Tage weggetreten, Junge. Bin froh, dass du wieder zu uns gestoßen bist.« Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. »Wir hatten eine Wette laufen, ob du es schaffen würdest. Freut mich, dass ich zu den Gewinnern zähle. Heiße Finn. Dieses famose Weib ist Dr. Mather. Und du bist … ?«
Acht Tage. Er war also schon über eine Woche hier? Dann hatte ein Suchtrupp aus Rule, falls sie überhaupt einen losgeschickt hatten, inzwischen längst aufgegeben. Auch wenn Chris die Suche nicht hatte abbrechen wollen, dessen war er sicher. Aber nicht einmal Chris konnte endlos lange Suchaktionen durchsetzen. »Wo bin ich?«, fragte er.
»Du bist in Sicherheit und am Leben.«
»Aber w-wo … was ist m-mit meinen M-Männern?« Seine Stimme knarzte wie ein altes, rostiges Scharnier. »Da w-war ein Junge.«
»Moment«, sagte Finn, goss Wasser aus einem Plastikkrug in einen Becher und stellte einen Strohhalm hinein. »Du bist wahrscheinlich völlig ausgedörrt.«
Der
Weitere Kostenlose Bücher