Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)
abgehacktes Geräusch, wie ein Böller. Greg erstarrte, seine Ohren kribbelten, nahmen ein leises Echo wahr, das an Sandstein widerhallte. Das war ein Schuss gewesen. Die Kopfschmerzen waren vergessen, als er sich einmal um die eigene Achse drehte. Woher bloß?
Hinter ihm ging die Tür auf. »Mann, bin ich froh, dass …« Dann sah Pru offenbar Gregs Gesicht. »Was ist los?«
»Entweder drehe ich durch«, antwortete Greg, »oder ich hab grad einen Schuss gehört.«
49
Dass sie geschrien und geschossen hatte, wurde Sarah erst bewusst, als sie das Brennen in der Kehle und den Rückstoß in den Händen spürte. Das Krachen war ohrenbetäubend, das Mündungsfeuer aber eher wie das letzte Aufflackern einer kaputten Glühbirne. Doch in diesem zuckenden Licht sah sie ihn fallen. Nicht, als würde er sich wegducken – oder besser noch, als hätte er keinen Kopf mehr, der sich wegducken konnte –, sondern nach hinten. War er nur umgefallen? Oder tot? Sie hörte nichts. Während sie sich aufrappelte, machte sie auf der Treppe eine Kehrtwende nach oben, war jedoch viel zu schnell. Ihr rechter Fuß glitt auf einer Lache ihres eigenen Blutes aus, sie verlor das Gleichgewicht, und dann drang der Schrei aus ihrer Kehle.
Sarah, die nicht einmal eine Waffe abfeuern konnte, hatte auch keine Ahnung, wie man damit läuft. Darum hielt sie die Pistole genau falsch: mit dem Finger am Abzug. Als sie stolperte, auf die Treppe fiel und mit der Hand auf der Steinstufe aufkam, löste sich ein Schuss. Dabei rutschte ihr die Pistole aus der Hand und polterte die Treppe hinunter, während Steinchen aus der Treppenspindel, wo die Kugel einschlug, Sarah an Gesicht und Hals trafen und ihr kleine blutige Wunden schlugen.
O mein Gott, bitte mach, dass er tot ist oder schwer verletzt oder ohnmächtig … Wenn er noch lebte, hatte er jetzt ihre Pistole. Wie viele Kugeln waren in dem Magazin? Egal. Eine reicht.
Sie kämpfte sich die schlüpfrigen Stufen hinauf. Jetzt konnte sie nur noch hoffen, dass der Veränderte in die andere Richtung floh. Vielleicht hatte niemand die Flinte gehört, weil die Kirchenmauern so dick waren, aber durch den offenen Glockenturm musste einfach jemand die Pistolenschüsse bemerkt haben. Also, wo blieben sie denn alle?
Urplötzlich endeten die Stufen, und sie stolperte in einen kurzen gemauerten Durchgang mit rechteckigen Öffnungen auf beiden Seiten, die Licht einließen. Direkt vor ihr, keine drei Meter entfernt, sah sie Dachbalken und Seile und Griffe, die sie an einen Webstuhl erinnerten.
Aber wo sind die Glocken? Keuchend und mit klopfendem Herzen stand sie da, die Wade tat höllisch weh, in ihren Ohren dröhnte es. Die Glocken mussten irgendwo über ihr sein. Sie stürzte zu dem Gewirr aus Seilen, die um Pflöcke gewunden und fest verknotet waren. Bestimmt waren die vereisten Seile ganz steif, und außerdem klebte an ihren klammen Fingern Blut. Wenn die Koten zu stramm waren, würde Sarah sie niemals lösen können. Aber eigentlich genügte ja schon einer, oder? Sie zerrte an den Seilen, suchte mit bebenden Fingern die Knoten ab, dann schnappte sie nach Luft, als die Spitze ihres Zeigefingers eine ganz kleine Schlaufe ertastete.
Ja! Sie zog daran und spürte, wie das Seil nachgab. Sie schob noch einen Finger rein, dann noch einen, und da löste sich auf einmal der Knoten und die Seile lagen frei in ihrer Hand. Na dann los! Sie packte ein Seil und zerrte, so fest sie konnte, hängte sich mit ihrem ganzen Gewicht daran, ächzte, als ihre Wade vor Schmerz aufheulte – und hörte ein hohles Dong.
Schnell, bitte beeilt euch! Diesen Gedanken schickte sie mit jedem Ding-dong hinaus. Schnell, schnell, helft mir, helft mir, helft mir!
50
»Komm mit!« Greg stürmte die Außentreppe hinunter, rannte zu seinem Pferd und holte seine Bushmaster aus dem Gewehrholster. Er war schon losgelaufen, als die Tür des Gemeindehauses wieder aufging, Aidan herauskam und über das Ding-dong-ding-dong hinweg schrie: »Was zum Geier ist los?«
Greg spurtete zur Kirche, die nur hundert Meter entfernt war, dicht gefolgt von Pru. Jetzt, da die Glocke läutete – und er wusste, dass etwas nicht stimmte –, hörte er auch die Hunde: leise, aber unverkennbar, ein rhythmisches Wuff-wuff-wuff . Die Hunde und die Kinder mussten in der Schule sein – hoffentlich waren sie das auch wirklich! Also hielten sich Tori und Sarah im Glockenturm auf.
Vielleicht auch nur eine von ihnen. Statt die Stufen am Haupteingang der Kirche
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