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Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)

Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)

Titel: Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilsa J. Bick
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über den Boden des Altarraums und die Altarstufen zogen. Auf dem Teppich war ein großer feuchter dunkelroter Fleck. Hat sich den ganzen Weg dorthin geschleppt. Gregs Blick folgte der gewundenen Spur in die andere Richtung, und er stellte fest, dass sich der Junge bereits vor dem Altarraum das Bein gebrochen haben musste. Vielleicht im Vorraum oder in dem überdachten Verbindungsgang. Aber wie? Dazu musste man aus ziemlicher Höhe abstürzen.
    Durch die massiven Flügeltüren des Altarraums hörte er Stimmengewirr und … war das nicht ein Schrei? Er konnte es nicht sicher sagen. Irgendwann hatte er mal gelesen, dass man beim Trainieren auf dem Schießplatz Gehörschutz tragen sollte, um sich nicht die Ohren zu ruinieren. Wenn er so weitermachte, würde er schon mit zwanzig taub sein. Er hatte immer noch solches Ohrensausen, dass er aus den gedämpften Lauten, die durch die Tür drangen, nicht schlau wurde. Immerhin fielen keine Schüsse, das war schon mal gut. So sehr es ihn auch drängte, durch diese Türen zu stürmen und Tori zu suchen, wusste er doch, dass er warten musste. Jetzt nichts überstürzen. Die Mädchen waren in Sicherheit.
    Wir haben’s geschafft. Aber warum fühlte er sich trotzdem nicht gut dabei? Wegen dieses veränderten Jungen, wie er da mit schmerzverzerrter Miene lag und sich krümmte. Er tut sich schwer mit dem Sterben, würde Kincaid sagen . Es war nicht richtig, sich darüber zu freuen. »Alles okay?«, wandte sich Greg an Pru und hatte das Gefühl, viel zu laut zu reden.
    »Ja. Was man von diesem Burschen allerdings nicht sagen kann.« Pru schob mit der Stiefelspitze die Flinte von den tastenden Fingern des Jungen weg. »Ich weiß nicht, ob wir ihn erschießen oder verbluten lassen sollen.« Er hielt einen Moment inne. »Den Typen hat’s echt übel erwischt. Der Teppich ist hin. Und das Altartuch auch.«
    Greg bemerkte Blutspritzer auf dem Holz und sogar unter dem Kreuz an der Wand. Wenn man es nicht besser wüsste, hätte man meinen können, dort oben hänge Jesus persönlich, von dem das Blut heruntertropfte. Greg betrachtete wieder den Jungen: vielleicht siebzehn oder achtzehn, fettiges, schulterlanges Haar, das Gesicht übersät mit eitrigen und vernarbten Pickeln. Außerdem hatte ihm jemand die Nase gebrochen, und zwar erst vor Kurzem. Seine Haut war käsig, seine bereits glasig werdenden Augen lagen tief in den Höhlen, umrahmt von verblassenden gelblichen Blutergüssen. Dieser Veränderte war kurz vor dem Verhungern, genau wie sie.
    Greg bückte sich nach der Flinte – und erstarrte. Anscheinend hatte er auch … was … gekeucht? Aufgeschrien? Er wusste es nicht, aber Pru rief alarmiert: »Was ist? Greg?«
    Nein . Vielleicht hatte sein Herz gerade ausgesetzt. Das musste es wohl sein, denn er spürte, wie sich der Muskel in seiner Brust verkrampfte und alles in ihm kalt und starr und schwarz wurde. Einen aberwitzigen Moment lang dachte er: So wird es sein, wenn ich sterbe. Er sah, wie sich seine Hand auf die Waffe zubewegte, wie sich seine Finger – die ihm klein und sehr weit weg erschienen – um den Walnussholzschaft schlossen und dann über die Kanten und Rundungen der zierlichen Schnörkel, des Schnitzwerks aus Blumen und Weinblättern, glitten, als wäre er ein blinder Junge, der Brailleschrift liest.
    »Mein Gott«, keuchte Pru. Dann: »Greg, schau mich an, Mann. Das muss gar nichts heißen …«
    Aber da war er schon aufgesprungen, stolperte einen Schritt rückwärts und noch einen, wirbelte schließlich herum und begann zu rennen, das klebrige Blut des Veränderten an seinen nackten Füßen, und plötzlich schwangen die Türen des Altarraums weit auf, als hätte das Gebrüll davor sie aufgestoßen, denn jetzt brachen all die Stimmen herein wie eine gewaltige Woge, die sich in den Altarraum ergoss. Die Gesichter verschwammen – nichts als schwarze Münder und schwarze Augen –, und Hände reckten sich ihm entgegen wie exotische Meerespflanzen, wenn die Flut kommt.
    Von all den Leuten erkannte er in diesen ersten Sekunden nur drei: Sarah, das Haar zerzaust, das Gesicht blutverschmiert; Yeager, der in seinem rot karierten und falsch geknöpften Flanellhemd irgendwie mitleiderregend aussah; und Kincaid, der sich einen Weg durch die Menge bahnte, die Arme ausgestreckt, um Greg aufzuhalten, ihn noch ein paar Sekunden lang zu schonen: »Nein, mein Junge. Schau nicht hin, schau nicht hin, Junge, tu’s nicht …«
    »Neiiin! Tori? Tori!«, heulte Greg, als Kincaid die

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