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Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)

Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)

Titel: Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilsa J. Bick
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Leiche zur nächsten, als spielten sie ein kompliziertes Himmel-und-Hölle-Spiel. Eine Krähe landete schlitternd auf dem gefrorenen Blähbauch eines Mannes, bevor sie sich zu einem sichereren Standort auf der Nase des alten Kerls vorarbeitete. Der Vogel hackte auf die Wange ein und riss ein Stück heraus. Das gefrorene, grünliche Fleisch löste sich mit einem Ratsch, das Tom an knisterndes Zellophan erinnerte.
    Er beobachtete, wie die Krähe das Fleisch in ihrem Schnabel verschwinden ließ, und schluckte. Wäre das Alex gewesen, hätte er mit Jeds Bravo so schnell losgeballert, dass die Krähe nur noch eine Wolke aus Federn und roten Tropfen gewesen wäre und in der Hölle schmoren würde, noch bevor sie überhaupt wusste, dass sie tot war. Oder vielleicht verletze ich das Vieh nur. Dann packe ich es und reiße es in Fetzen. Auch das konnte er sich lebhaft vorstellen. So deutlich wie ein Flashback lief der Film vor seinem inneren Auge ab: Wie der Vogel sich wand, während Tom fester und fester zudrückte, bis er den schwachen Herzschlag des Tiers an seiner Handfläche spürte und endlich das Knirschen von Knochen …
    Dann gab es in seinem Film einen Schnitt. Anstelle einer Krähe hatte Tom nun einen Jungen am Hals gepackt, der sich wand und kämpfte, aber Tom setzte ihm weiter zu, würgte ihn, beobachtete, wie das Gesicht des Jungen blau anlief, er tötete Chris Prentiss für das, was er getan hatte. Seine Vorstellung war so real, dass Tom spürte, wie Chris verzweifelt seine Nägel in Toms Hände bohrte.
    Du kommst mir nicht davon, Chris. Ich lasse dich nicht entwischen. Ich bin stark und ich werde dich töten, dich vernichten, du wirst für das bezahlen, was du ihr angetan hast  …
    Tom stöhnte auf. O Gott, Chris zu töten würde sich so gut anfühlen, so gut, und, Himmel ja, er wollte es. Dieser Drang zu töten war neu, er tobte in seiner Brust und versuchte, sich wütend Bahn zu brechen.
    Aber ich darf ihn nicht rauslassen. Diese Vorstellung aus seinem Kopf zu löschen, trieb Tom den Schweiß auf die Stirn. Ich muss durchhalten. Als Tom sich die zitternde Hand auf die Brust legte, ertastete er die zwei Erkennungsmarken an der Kugelkette um seinen Hals. Die eine Marke war die von Jed aus Vietnam, die andere hatte Jeds Sohn Michael gehört, der im Irak gefallen war. Tom umklammerte die Hundemarken wie seine Großmutter früher ihren Rosenkranz. Hör auf damit. Ich darf mich jetzt nicht verrennen.
    Seine Zunge schmerzte, wo seine Zähne sich ins Fleisch gegraben hatten. Er spuckte Blut und beobachtete, wie es im Schnee verschwand, in den Krähenfüße unregelmäßige Sterne gestanzt hatten. Hier trieben sich eine Menge Tiere herum. Sein Blick wanderte über längliche, fünfgliedrige Abdrücke, die von Waschbären stammen mussten, zu einer einzelnen tiefen Fährte im Schnee. Wölfe vielleicht. Die waren schwer genug, und die meisten Rudel liefen im Gänsemarsch hintereinanderher. Krähen, Wölfe und Waschbären lassen sich’s schmecken. Der rostige Blutgeschmack löste einen Würgereiz aus, und er spuckte wieder aus. Eine Menge Tiere. Er entdeckte noch kleinere Spuren, die denen von Hunden ähnelten. Auch die Füchse sind emsig unterwegs gewesen. Kein Wunder. All diese Leichen, der See war praktisch ein …
    »Ein Büfett«, flüsterte er, und da erkannte er plötzlich, welche Fährten fehlten.
    Moment mal. Das Bergwerk zu sprengen war wie ein Tritt in einen Ameisenhaufen gewesen. Viele Chuckies waren gestorben, doch der Rest hatte sich zerstreut und war vermutlich auf dem Weg nach Norden, in Richtung Rule. Seitdem hatte es in der Nähe des Bergwerks keine Aktivitäten mehr gegeben. Aber Tom war in einem Kriegsgebiet gewesen und wusste aus Erfahrung: Überlebende kamen immer zurück, um zu retten, was noch zu retten war. Doch die einzigen menschlichen Spuren am See stammten von ihm – was ihm nicht einleuchtete. So viel Essen gratis, und nichts hielt neue Chuckies davon ab zu kommen oder hinderte die alten daran zurückzukehren. Aber anscheinend versuchten sie es gar nicht.
    Also, wo zum Teufel sind sie?
    Er kletterte auf einen flachen Felsen und suchte das Ufer mit dem Fernglas ab. Keine einzige menschliche Spur. Tom wendete den Blick nach Westen. Die Sonne war schon halb untergegangen, ihr abnehmendes Licht wechselte mehr und mehr zu einem blutroten Glühen. Sein Blick wanderte über die von Geröll übersäte Ebene zu den umgestürzten Bäumen. In der Nacht, als das Bergwerk explodierte, waren die

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