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Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)

Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)

Titel: Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilsa J. Bick
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über den »Hexenfuß«, wie Isaac es nannte, stolperte.
    Bei all diesen Symbolen dachte man erst einmal, dass es sich um eine Scheune handelte. Aber das ergab keinen Sinn, weil dieses Gebäude ganz aus Stein gemauert und völlig abgelegen war, es stand einsam im Wald, ohne Felder oder Weideland in der Nähe. Weder Jayden noch Hannah hatten eine Ahnung, was der ursprüngliche Nutzungszweck gewesen war. Als sie es entdeckten, stand es komplett leer.
    Diese Fenster aber sahen für Ellie immer wie leere Augenhöhlen mit eigenartig rot-blau gefärbten Lidern aus. Wenn sie ihre Augen zusammenkniff, erkannte sie den Schädel.
    Was passte, wenn man bedachte, was drin war.
    Heute schien es, als hätte etwas dort drinnen die Arme ausgestreckt und nach den Krähen gegriffen, denn hier waren Hunderte davon. Sie saßen auf dem Schieferdach, krallten sich an die Schindeln, hockten auf dem Dachvorsprung. Noch mehr Krähen drängten sich im Schnee oder stolzierten auf der Rampe auf und ab wie Soldaten. Eine wogende Masse aus glitzernden Augen, glänzenden Federn und schwarzen Schnäbeln besetzte das Gebäude.
    Krähen wussten, wo der Tod zu Hause war.
    Denn in dem grauen Schädelhaus lagen die Leichen.

22
    In den ersten Märztagen, acht Tage nach dem Einsturz des Bergwerks, kamen die Krähen in großen schwarzen Wolken. Tom wusste, was das bedeutete. Wer sich in einem Kriegsgebiet aufhielt, lernte es schnell. Willst du wissen, wo die Leichen sind, schau nach oben.
    Eine Tatsache: Je kälter es ist, desto langsamer setzt die Verwesung ein. Aber es stimmt auch, dass es in den untersten Ebenen eines Bergwerks sehr warm ist, so heiß sogar, dass man dort ohne Ventilatoren und Lüftung unmöglich arbeiten kann. Offensichtlich war es in dem alten Bergwerk von Rule warm genug, dass Leichen verwesen, sich mit Gas füllen und an die Oberfläche des neuen Sees aufsteigen konnten, wie Ballons aus Menschenhaut.
    Die Frage war nun, wann er gehen sollte. Cindi kam jeden Morgen vorbei, diese Zeit schied also aus. Nachmittage waren am sichersten, allerdings musste er auf die patrouillierenden Späher achten. Keinesfalls wollte er, dass irgendwer, schon gar nicht Cindi oder Luke, herausfanden, was er tat. Sie würden versuchen, ihn aufzuhalten, oder darauf bestehen mitzukommen, und dafür musste er allein sein. Also blieb nur der frühe Abend. Er musste bloß den richtigen Zeitpunkt abpassen, dann konnte er flott mit den Skiern hinfahren. Er würde den Pfad meiden, auf dem ihn die Späher sichten konnten, und hätte immer noch genug Tageslicht, auch wenn bei seiner Rückkehr bereits die Dunkelheit hereinbrechen würde.
    Falls er jemals zurückkehrte. Irgendwann. Oder nie? Denn im Grunde war Tom ja schon weg, am Ende, kaputt. So wie jetzt hatte er sich noch nie gefühlt, nicht nach Afghanistan, nicht nach Jim. Nicht als er angeschossen wurde und Harlan Ellie entführte. Nicht nach Jed und Grace, als er dachte: Ja, töte alle Feinde, kein Problem . Ungeachtet dessen, was er zu Luke gesagt hatte, war ein Leben ohne die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Alex nur eine Scheinexistenz. Du setzt einen Fuß vor den anderen, bis du nicht mehr laufen kannst.
    Trotzdem war ihm eines glasklar: Sie war dort oben, am See, unter all den vielen Toten.
    Und um nichts in der Welt würde Tom sie den Krähen überlassen.
    Er hatte den Todesmarsch schon mehrmals hinter sich gebracht. In Afghanistan blieb einem nur noch der Schutzanzug, wenn die Roboter nicht funktionierten oder, wie in seinem Fall, Entscheidungen getroffen werden mussten, bei denen es nur Verlierer gab. Und so war er dem Tod oft allein gegenübergetreten. Doch das hier war noch schlimmer, es war der längste und einsamste Marsch seines Lebens.
    Der See wirkte surreal: halb verweste Leichen über- und untereinander, im Eis festgefroren und mit Krähen übersät. Es sah aus, als hätten die Chuckies vorgehabt, sich Vorräte für schlechte Zeiten anzulegen. Oder es gab einfach nur viele hungrige Chucky-Mäuler zu stopfen, da machte man gern mal einen kleinen Ausflug zum Viehhof, um etwas auftischen zu können.
    Natürlich gab es auch viele tote Chuckies, die von den anderen einfach zu unterscheiden waren: Sie alle waren jung. Außerdem rührte nichts und niemand – auch keine Krähe – sie an.
    Durch das Fernglas suchte er den See Gesicht für Gesicht ab. Ohne ihm Beachtung zu schenken, stießen die Vögel in leere Augenhöhlen, hämmerten auf Knochen ein, hüpften von einer grässlich aufgedunsenen

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