Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)
»Sie sind nicht T…«
Neben ihr warnte Mina plötzlich mit einem leisen, aber entschiedenen Wuff .
O-o . Ellie erstarrte mitten in der Bewegung. Ihr Herz setzte fast aus. Mina sah den rechten Pfad entlang. Zwar knurrte sie nicht – ein gutes Zeichen –, aber ihre Ohren waren aufgestellt, ihr Körper gespannt. Nicht gut. Aber auch nicht unbedingt schlecht. Knurren war schlecht, Knurren bedeutete unbekannte Erwachsene, die sie nicht gebrauchen konnte, oder Menschenfresser, die sie noch weniger gebrauchen konnte. Für die ist ohnehin die falsche Tageszeit. Aber irgendetwas beunruhigte den Hund. Nur was?
Wieder ertönte vom Himmel ein durchdringendes Kreischen, und da hörte sie schließlich, was Mina ausgemacht hatte. Verdammt, aller Wahrscheinlichkeit nach hatte ihr Pferd deshalb schon vorhin gescheut: Ein Geräusch wie … Stimmen? Viele Stimmen, wie auf einem überfüllten Pausenhof, irgendwo aus der Richtung des rechten Pfads. Sie beobachtete Mina. Der Hund war immer noch wachsam, knurrte aber nicht. Also … nicht gefährlich? Vielleicht keine Erwachsenen, keine Menschen. Keine lebenden jedenfalls.
Da fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. »O Mann«, sagte sie und hätte sich beinahe die Hand an die Stirn geschlagen und Nein! gerufen wie Homer Simpson. Die Vögel. Die Krähen. Deswegen so viele. Krähen waren Aasfresser, sie wurden vom Tod angezogen. Es war genau, wie Jayden gesagt hatte: Wenn du wissen willst, wo der arme verwundete Hirsch ist, halte dich an die Krähen. Es lag auf der Hand.
Ja, aber will ich da wirklich runtergehen? Jetzt hatte sie noch die Wahl, oder? Doch jemand musste sich das ansehen. Sie würde eine gute Stunde brauchen, um ihre Ausrüstung zu verstauen, sich wieder zu ihrem Pferd zu schleppen und zurück zur Farm zu reiten. Jetzt war sie eh hier. Und irgendjemand musste das arme Wild aus seiner Not befreien. Sie sollte langsam mal erwachsen werden.
Tom würde es tun. Alex auch.
Vorsichtig legte sie den Bohrer quer über den Eimer, nahm das Gewehr und entsicherte es. Bei dem Geräusch wedelte Mina zustimmend mit dem Schwanz.
»Ja, Vorsicht ist besser als Nachsicht. Also, komm.« Ellie tätschelte ihren Hund. »Bringen wir’s schnell hinter uns.«
Der Marsch war nicht allzu schlimm, obwohl sie den Weg nicht gern einschlug. Zehn Minuten später hörte sie deutlich das Krächzen und Kreischen in dem allgemeinen Gezeter. Der Lärm war gewaltig, wie auf dem Berg im Waucamaw, als Opa Jack starb und ihr Kopf fast explodierte. Dieses Mal aber verdunkelten die Krähen nicht den Himmel, sondern saßen in hellem Aufruhr auf den Bäumen.
Wow, irgendetwas fesselt ihre Aufmerksamkeit. Ihr lief ein kalter Schauer über den Rücken. Sie hatte das untrügliche Gefühl, dass die Vögel hier nicht einfach abwarteten, bis ein Tier gestorben war. Aber worum ging es dann? Sie richtete den Blick auf den Schnee. Das letzte Mal waren sie, Jayden, Hannah und Eli vor einer Woche hier gewesen. In der Zwischenzeit waren ihre alten Spuren halb zugeschneit.
Aber sie entdeckte auch frische Spuren. Menschenspuren.
Oh Mann. Ein Fußabdruck war klein, nicht viel größer als ihrer. Ein Kind? Sie umklammerte das Gewehr. Ein verletztes Kind?
Oder war das die Art Kind, der sie lieber nicht begegnen wollte? Nein, das ist kein Menschenfresser. Mina würde es merken, sie merkt es immer. Ellie musterte den Hund, der zwar noch wachsam war, aber mit ihr Schritt hielt. Auch wenn Mina nicht direkt alarmiert wirkte, verriet ihre Haltung doch, dass irgendetwas nicht stimmte. Wie gebannt starrte der Hund nach vorn. Ellie folgte ihrem Blick – und hörte sich selbst nach Luft schnappen.
Die Lichtung war klein, nur ein graues Kalksteingebäude mit Schieferdach sprang ins Auge. Links und rechts einer Holzschiebetür befanden sich Fenster. Eine Rampe führte von der Schiebetür hinunter.
Die gemalten Hexenzeichen auf dem Stein sahen seltsam aus. Direkt unter dem Dachvorsprung zog sich eine Reihe fünfzackiger, knochenweißer Sterne um das ganze Haus. Hannah hatte gesagt, sie würden den Himmel darstellen. Über der Schiebetür prangte ein einzelner, hoher Bogen, der schwarz umrandet und rot ausgemalt war, mit drei gleich großen blauen Dreiecken darin. Der Bogen sollte eine falsche Tür sein – eine Teufelstür, hatte Hannah erklärt –, die den Satan austrickste, damit er sich den Kopf anstieß.
Es gab noch weitere Hexenzeichen: ähnliche Halbbögen über und unter jedem Fenster, damit eine hereinkletternde Hexe
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