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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Willig
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Clemmie schob vorsichtig die Hand unter den Arm ihrer Tante. Dieser verdammte Jon. Er wusste tausendmal besser, wie man mit Tante Anna umgehen musste. «Die Schuhe tun doch sicher weh.»
    «Nein.» Tante Anna schüttelte ihre Hand ab. Ihr sorgfältig aufgetragenes Make-up war rissig geworden und enthüllte ein Netz feiner Fältchen. «Ich habe diesen Mist von der heiligen Addie satt. Heil Addie, wir grüßen dich, Große und Mächtige. Soll ich dir sagen, wie sie wirklich war?» Sie schwankte leicht nach vorne und kam Clemmie so nahe, dass diese die Kombination von Schweiß und teurem Puder auf ihrer Haut riechen konnte. «Sie war ein egoistisches, habgieriges Miststück.»
    Clemmie verschluckte sich an ihrem Wodka.
    Gelbe Diamanten und Weißgold funkelten im Licht, als Tante Anna mit der Hand wedelte. «Unsere gütige, wunderbare, heilige Addie. Da sitzt sie wie die Spinne im Netz und spinnt ihre Fäden … Dinge hat sie nicht gestohlen, sie hat Seelen gestohlen. Sie hat sie in ihre klebrigen Fäden eingewickelt und nie wieder hergegeben.»
    «Mhm …» Clemmie hatte keine Ahnung, wie sie sich verhalten sollte. «Möchtest du noch Wein?»
    «Weißt du, dass ich mal ausreißen wollte?» Tante Anna war nicht mehr zu bremsen. «Wir waren in England im Internat, deine Mutter und ich. Es war die ideale Gelegenheit.
Sie
hat mich zurückgeholt. Sie ist höchstpersönlich rübergekommen und hat mich aufgespürt.»
    «Sie hatte wahrscheinlich Angst um dich», meinte Clemmie und sah sich vorsichtig nach ihrer Mutter um. Das war genau das Richtige, um ihren Blutdruck in die Höhe zu treiben. «Wenn von deinen Kindern eins …»
    Tante Anna schlürfte ihren Wein. «Ich habe meine Kinder ihr Leben leben lassen. Nicht dass eins von ihnen wirklich
mein
Kind gewesen wäre, das würde deine Mutter jetzt sagen. Ich hab sie gehört. Ich weiß, dass sie das sagt. Als würde es nicht zählen, wenn man sich nicht die Figur für sie ruiniert. Verdammt scheinheilig, wenn man sich’s überlegt, alles in allem betrachtet.»
    «Es geht nicht um Schwangerschaftsstreifen», sagte Clemmies Mutter scharf, und Clemmie zuckte zusammen. «Aber das verstehst du ja sowieso nicht.»
    «Kommen die Leute vom Catering-Service in der Küche zurecht?», fragte Clemmie verzweifelt. Sie wünschte aus tiefstem Herzen, Jon wäre hier, um ihr zu helfen. Aber Jon hatte sich mit einem Küsschen auf die Wange verabschiedet. Genau wie das letzte Mal. «Mom, vielleicht wäre es besser, du …»
    Keine der beiden Frauen achtete auf sie.
    «Ach, sind wir wieder da angelangt», sagte Tante Anna und lehnte sich an die provisorische Bar. Flaschen klirrten, aber das schien sie nicht zu beeindrucken. «Warum kippst du nicht noch eine Schippe Salz in die Wunde? Amüsier dich.»
    «Spiel du hier nicht das Opfer», sagte Clemmies Mutter. «Nur weil du …»
    «Na komm schon. Sag’s.» Tante Annas Gesicht war so starr und kalt wie eine Totenmaske. «Weil ich abgetrieben habe. Ja, ganz recht», sagte sie zu Clemmie. «Wenn du wissen willst, was alles unter dem Teppich steckt. Das ist nur die Spitze des Dreckhaufens. Ich habe bei irgendeinem Pfuscher illegal abgetrieben, und er hat mir die Gebärmutter durchstochen. Bist du jetzt glücklich?», fragte sie Clemmies Mutter.
    «Nein», sagte Clemmies Mutter, grau im Gesicht. «Nein. Du weißt, dass ich das nie wollte. Wärst du nur …»
    «… zur heiligen Addie gegangen?» Tante Anna lachte wild. «Was meinst du wohl, wer mir das Geld dafür gegeben hat? Farve durfte doch um Gottes willen nicht aufgeregt werden.»
    Ihr Ton war so giftig, dass Clemmie unwillkürlich einen Schritt zurücktrat.
    Clemmies Mutter konterte schon wieder. «Du warst ganze siebzehn damals. Sie wollte dir nur helfen.»
    «Helfen. Ja, klar.» Tante Anna kippte ihren letzten Schluck Wein hinunter. «Sie war ja immer so hilfsbereit.
Sich
wollte sie helfen. Sie hat sich selbst überall reingeholfen … und allen anderen raus.»

Kenia, 1926
    I ch kann helfen», sagte Addie. «Das heißt, ich kann vielleicht helfen. Ich habe ein wenig Ahnung von Krankenpflege.»
    Bea spürte beginnende Kopfschmerzen, genau über dem linken Auge. Diese ganze Fahrt war von Anfang an ein Albtraum gewesen. Sie und Frederick hatten schon seit – Wochen oder waren es Monate? – nicht mehr so viel Zeit miteinander verbracht. Sie schafften es ziemlich gut, einander aus dem Weg zu gehen, was schwieriger war, als man bei fünfhundert Morgen Grundbesitz hätte meinen können.

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