Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Willig
Vom Netzwerk:
auf Safari und Picknickgesellschaften und, unter der Überschrift
Rennwoche in Muthaiga
, eine ganze Reihe Aufnahmen von irgendeiner pompösen Veranstaltung, auf der die Frauen alle hochelegant mit langen Perlenschnüren und Federschmuck auf den Köpfen zu sehen waren. Immer wieder Bea – Bea mit Freunden, Bea mit Frederick, Bea mit einem Baby, das Tante Anna sein musste – doch immer noch kein Bild von Granny.
    «Hat Granny Addie die Fotos gemacht?», fragte Clemmie.
    «Nein», sagte Tante Anna. Es hörte sich an, als wüsste sie es genau.
    Clemmie schlug die letzte Seite um. Grannys Cousine stand, im ganzen Schick der zwanziger Jahre, zwischen zwei Männern in Abendkleidung, jeder mit einem Arm um ihre Schultern. Der eine sah aus, als wäre er halb hinüber, seine Gesichtszüge waren verwischt. Anscheinend hatte er sich im entscheidenden Moment umgedreht. Der andere grinste direkt ins Objektiv. Er erinnerte ein wenig an Rufus Sewell in
Cold Comfort Farm,
ein dunkler Typ, der vor Testosteron strotzte.
    Auf der Rückseite hieß es:
Silvester 1926 , ich, Val und R’l
.
    Dann war das also Beas Album. Aber wo war Granny Addie? Von ihr war nicht ein einziges Bild dabei. Die letzten Fotos waren von 1926 . Danach kam nichts mehr. Clemmie wusste, dass es noch andere Aufnahmen gab. Sie hatte sie selbst gesehen, Aufnahmen von Granny Addie und Grandpa Frederick auf ihrer Kaffeeplantage, doch dieses Album enthielt nicht eine von ihnen.
    «Wo ist Granny Addie?»
    Tante Anna lehnte sich an die Wand. «Willst du es ihr sagen, Madge? Oder soll ich?»
    Clemmies Mutter ließ sich schwer auf einen Karton mit Büchern sinken. «Sie ist nicht auf den Fotos, weil sie nicht dabei war.» Sie krampfte die Hände auf dem Schoß zusammen und schaute zu Clemmie hinauf. «Sie kam erst, als ich schon fünf Jahre alt war.»

Kenia, 1926
    A ddie hörte die rhythmischen Geräusche eines Reisigbesens, mit dem draußen vor ihrem Fenster jemand den Weg kehrte.
    Licht fiel durch die Ritzen zwischen den Vorhängen, stark und klar wie konzentrierter Alkohol. Addie kroch tiefer unter das Leintuch. Die Seide glitt ungewohnt glatt über ihre Haut. Sie hatte den Pyjama gestern Abend auf ihrem Bett vorgefunden und ihn angezogen, weil sie zu müde war, ihr Nachthemd auszupacken. Die Seide leuchtete in dem gleichen flammenden Orange wie die Blüten draußen auf den Bäumen.
    Addie richtete sich halb auf. Während sie sich den Schlaf aus den Augen rieb, erwachte die Erinnerung an den vergangenen Abend: an die Gereiztheiten zwischen Bea und Frederick, die verqualmte Hütte, den verletzten jungen Mann, die starken Drinks, an ein Abendessen, von dem sie kaum noch etwas wusste, außer dass der Tisch, an dem ihnen von weiß gekleideten barfüßigen Bediensteten serviert wurde, absurderweise mit irischem Kristall und Spode-Porzellan gedeckt gewesen war. Die Kinder und ihre Gouvernante hatte sie nicht kennengelernt. Sie nahmen ihr Abendessen unter sich ein.
    Wie lange hatte sie geschlafen? Die Uhr auf ihrem Nachttisch war stehengeblieben, doch das Haus war unverkennbar bereits wach. Eine Kanne Tee und ein Teller mit harten Keksen standen auf einem Tablett neben ihrem Bett. An der Vase mit einer ihr unbekannten Blume lehnte ein Zettel von Bea, auf dem nur stand:
Bin ein Weilchen weggefahren, bald wieder da. Ruh dich aus und lass es dir gutgehen!
    Addie trank einen Schluck Tee. Er war widerlich süß und eiskalt. Schaudernd stellte sie die Tasse weg. In den mageren Jahren hatte sie es sich angewöhnt, ihren Tee ungesüßt zu trinken. Jetzt zog sie ihn so vor.
    Draußen fegte der Besen,
scht, scht, scht
. Am liebsten hätte sie in der dämmrigen Kühle des Zimmers den Kopf unter das Kopfkissen gesteckt, doch sie konnte sich nicht auf die Dauer verstecken. Früher oder später musste sie hinaus und der Welt ins Auge sehen. Womit sie Bea und Frederick meinte. Sie fühlte sich matt, als sie mühsam aufstand, wie nach einem Fieber. Oder wie nach einer langen Fahrt mit der Eisenbahn und einem Automobil.
    Wenigstens war sie wieder frisch und sauber. Bea hatte darauf bestanden, dass sie am Abend noch ein Bad nahm, in einer großen jadegrünen Wanne, die den wollüstigen Phantasien eines orientalischen Herrschers hätte entsprungen sein können. Umgeben von jasminduftenden Dämpfen und schimmerndem, sich im Wasser spiegelndem Kerzenlicht, hatte sie, vom Gin benebelt, das Gefühl gehabt, mitten in Tausendundeine Nacht geraten zu sein.
    Addie fand das Bad mit der Jadewanne

Weitere Kostenlose Bücher