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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Willig
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einem ihrer Stiefel.
    Marjorie legte ihrem Vater die Arme um den Hals und schmiegte sich an seine vertraute Schulter. Er zog sie einen Moment fest an sich und drückte seine Nase in ihre Haare. Sie schienen so ganz zueinander zu gehören, so vollkommen glücklich miteinander. Niemals hätte Addie gedacht, dass Frederick, der Frederick jedenfalls, den sie einmal gekannt hatte, ein liebevoller Vater sein könnte, aber er vergötterte seine Tochter offensichtlich genauso wie sie ihn.
    Das passte überhaupt nicht zu Addies Bild vom berechnenden Verführer.
    Frederick stellte seine Tochter energisch auf den Boden. «Jetzt wird gelernt. Miss Platt sucht dich schon.»
    «Aber Feather vermisst mich bestimmt.»
    «Feather ist Marjories Dikdik», sagte Frederick zu Addie. Sein Gesicht war entspannt und heiter. Er blickte liebevoll zu seiner Tochter hinunter. «Nach dem Unterricht. Dann kannst du Tante Addie mit Feather bekannt machen.»
    «Ich freue mich schon darauf», sagte Addie. «Ach, und vergiss deine Annabelle nicht.» Sie bückte sich und hob die Puppe auf.
    «Was sagst man?», fragte Frederick.
    «Danke», sagte Marjorie und lief ins Haus.
    Addie wäre ihr gern gefolgt, aber das wäre ihr zu sehr wie eine Flucht vorgekommen. Das letzte Mal waren sie und Frederick vor fünf Jahren allein gewesen, einen Kontinent, eine Heirat und zwei Kinder entfernt.
    «Ich muss leider gestehen, dass ich nicht weiß, was ein Dikdik ist», sagte sie.
    Frederick lächelte. Addies Herz zog sich ein klein wenig zusammen. «Es ist so eine Art kleine Antilope. Marjorie zeigt sie dir später.
    «Ja. Ich werde sie daran erinnern.»
    Einen langen Moment standen sie da, und keiner sagte etwas, keiner schaute den anderen richtig an, und Addie war überrascht zu sehen, dass er genauso verlegen war wie sie.
    «Ich wollte gerade zum Kaffeeschuppen hinunter», sagte er schließlich mit einem leichten Zögern. «Wenn du willst, zeige ich dir die Farm.»
    Sie wusste, sie sollte ablehnen, aber die Sonne schien so hell, und alles hier draußen war so verlockend, und Bea war immer noch nicht zurück. Es würde so etwas wie eine Schutzimpfung sein, sagte sie sich. Man setzte sich der Krankheit aus, um sich gegen sie zu immunisieren. «Ich halte dich doch nicht von der Arbeit ab?»
    «Überhaupt nicht. Wenn wir hier sagen,
wir arbeiten
, heißt das in Wirklichkeit, dass wir die anderen für uns arbeiten lassen. Du brauchst einen Hut», fügte er hinzu, nahm einen vom Tisch auf der Veranda und drückte ihn ihr auf den Kopf. Er war aus beigem Filz, innen rot gefüttert und rutschte ihr beinahe über die Augen. «Sonst riskierst du einen Hitzschlag.»
    Die Hitze lag in einem flirrenden Dunstschleier über dem Land, als sie ins Freie traten, zart wie der Tüll der Abendkleider, die sie in diesem entsetzlichen Debütjahr getragen hatte. Addie hatte das Gefühl, sie könnte die Hand ausstrecken und ihn zwischen ihren Fingern zerdrücken.
    Zu ihrer Überraschung war die Hitze nicht unangenehm, nicht so erstickend wie in ihrem Eisenbahnabteil. Vielmehr legte sie sich sanft um sie wie eine zweite Haut und erwärmte sie bis ins Innerste. Zu Hause fror sie immer. Sie litt unter einer tiefen inneren Kälte, die sich vor langer Zeit in ihr niedergelassen hatte, als sie an einem regnerischen Novembertag zusammengekauert in einem Schrank in einem lang vergessenen Haus in Bloomsbury gehockt hatte.
    Hier schien es so etwas wie November nicht zu geben. Der Himmel war hell und klar, von einem so intensiven Blau, dass es in den Augen schmerzte.
    Sie schlugen einen Weg ein, der nicht zu den – wie hatte Bea gestern Abend gleich gesagt? –, zu den Hütten führte, sondern einen schmalen Bach entlang durch hohes braunes Gras, an dornigen Büschen und Korallenbäumen vorbei, deren Blüten die gleiche Farbe hatten wie Beas Pyjama. Insekten sirrten in durchdringend hohen Tönen, am Wegrand lag reglos ein Chamäleon, so grünbraun gefleckt wie das Gras rundherum. Addie hörte das Bimmeln der Ziegenglöckchen, als ein splitternackter kleiner Junge seine Herde vorbeitrieb, und das von Bea so unfreundlich erwähnte Geschnatter der Affen, die in den Bäumen ihren eigenen wichtigen Geschäften nachgingen.
    Fremdartige Blumen leuchteten zu ihren Füßen. Das Buschland um sie herum wimmelte von Leben. Es war alles wie ein Traum, das Licht, die Hitze, die Blumen; die Männer, mit den kurzen geflochtenen Haaren, die wie Vlies auf ihren Köpfen lagen, und den Ohrgehängen, die ihre

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