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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Willig
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wieder. Bei Tageslicht war es ein ganz gewöhnliches Badezimmer, in dem man sich die Zähne putzte und das Gesicht wusch. Vom kalten Wasser erfrischt und in ihren eigenen Kleidern, fühlte sie sich wieder mehr wie sie selbst.
Ruh dich aus,
das hatte Bea geschrieben, doch nach einem Blick auf die Standuhr im Vorsaal fand sie, sie habe sich lange genug ausgeruht. Es war zehn Uhr, schändlich spät. Zu Hause wäre sie längst aus dem Bett und säße nach einer langen, nasskalten Fahrt mit der Untergrundbahn und, nachdem sie ihren nassen Schirm in einem verbeulten Eimer neben der Bürotür abgestellt hatte, an ihrem Schreibtisch.
    Allerdings nicht, weil sie es so bevorzugte. Die Frühaufsteherin war immer Bea gewesen. Jeden Morgen war sie frisch und munter auf den Beinen, während Addie, wenn es ihr überlassen gewesen wäre, bis in die Puppen im Bett geblieben wäre. Es war ihr damals, während ihrer Ballsaison, unbegreiflich gewesen, wie Bea die ganze Nacht durchtanzen und am Morgen ausgeschlafen genug sein konnte, um im Hyde Park auszureiten, anscheinend völlig unbeeinträchtigt von diesem hektischen Programm.
    Addie fühlte sich ein wenig wie im Märchen, als sie durchs Haus ging. Von draußen hörte sie die fremdartigen Rufe unbekannter Vögel, klingelnde Glöckchen, erhobene Stimmen, die von den Steinmauern des Hauses gedämpft und in ein freundliches Summen verwandelt wurden, das das Haus in eine besondere Schläfrigkeit einzuhüllen schien. Dornröschens ostafrikanische Lodge.
    Sie goss sich im Frühstückszimmer eine Tasse Kaffee ein und ging auf die Veranda hinaus. Die Akazien rundherum erfüllten die Luft mit ihrem Duft. In den Blüten summten die Insekten auf der Suche nach Nektar.
    Sie war, wie sie feststellte, nicht allein auf der Veranda. Ein kleines Mädchen hockte neben dem Geländer, in ein ernstes Gespräch mit einer ziemlich ramponierten Porzellanpuppe vertieft. Als Addie kam, sprang das Kind auf. Während es noch zu überlegen schien, ob es den Rückzug antreten sollte, sagte Addie: «Guten Morgen», und stellte ihre Tasse auf einen Holztisch. «Du bist sicher Marjorie.»
    Über den Kopf der Puppe hinweg sah das Mädchen sie forschend an. Sie hatte dunkelblonde Haare, dunkler als Beas zwar, aber doch so hell, dass Beas Furcht, Marcus hätte es als das Kind eines anderen erkennen können, unbegründet gewesen war. Die Augen des kleinen Mädchens waren von einem ungewöhnlich hellen Blau. Gillecote-Augen.
    Addie bot ihr die Hand. Sie wusste nicht genau, wie sie sich verhalten sollte, sie hatte seit ihrer eigenen Kindheit nicht mehr mit Kindern zu tun gehabt. «Ich bin deine Tante Addie. Ich bin bei euch zu Besuch.»
    Das Kind hielt seine Puppe fest im Arm, während es Addie aus sicherer Entfernung musterte. «Farve hat gesagt, dass du aus England gekommen bist.»
    Farve? Kindersprache für Vater, vermutete sie. «Ja, mit einem großen Schiff. Und mit der Eisenbahn.»
    «Ich wollte die Eisenbahn sehen», sagte das Kind. «Aber Farve hat mich nicht mitgenommen.»
    «Am Bahnhof ist es sehr laut», sagte Addie. «Und schmutzig. Du hast nicht viel versäumt. Hier ist es viel schöner.»
    «Karanja hat gesagt, die Eisenbahn ist eine Schlange», sagte das Kind. «Eine lange silberne Schlange.»
    Nun ja, so konnte man es auch sehen. Addie ging in die Hocke. «Wenn es eine Schlange ist, dann ist sie sicher verzaubert worden.»
    «Verzaubert? Was ist das?»
    «Jemand hat sie verwandelt», versuchte Addie zu erklären. Hatte niemand dem Kind Märchen erzählt. «Wenn man eine Schlange so groß machen will, muss man zaubern können. Denn sie reicht ja so weit man überhaupt sehen kann und spuckt Feuer und Rauch wie ein Drache. Drachen sind so was Ähnliches wie Schlangen», fügte sie hinzu, bevor die Kleine fragen konnte, «nur größer und gruseliger. Und sie können fliegen.» Addie, die das Gefühl hatte, langsam an ihre Grenzen zu kommen, zeigte auf die Puppe. «Wie heißt sie?»
    Marjorie musterte sie einen Moment, dann hielt sie ihr die Puppe hin. «Das ist Annabelle.»
    «Guten Morgen, Annabelle», sagte Addie. Schließlich mussten sie einander noch begrüßen.
    «Und dir auch einen guten Morgen», sagte hinter ihr Frederick amüsiert.
    Addie sprang so schnell auf, dass sie mit dem Fuß beinahe in ihrem Rocksaum hängen geblieben wäre. «Oh, hallo. Wir haben gerade …»
    «Farve!», rief Marjorie und rannte zu ihrem Vater, der sie hoch in die Luft schwang. Addie entging nur knapp einem Nasenstüber von

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