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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Willig
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Njombos feierten. Addie, die sich vor so vielen Monaten des verletzten jungen Mannes angenommen hatte, verfolgte das Geschehen mit fast persönlicher Anteilnahme.
    Alle hatten gesagt, ein
ngomo
müsse man unbedingt gesehen haben, aber wie wahr das war, merkte sie erst, als es dunkel wurde und bei loderndem Fackelschein die Tänze begannen. Die Männer, die sie als Landarbeiter kannte, hatten sich in phantastisch herausgeputzte Krieger mit langen gefiederten Speeren verwandelt. Die ölglänzenden Körper waren mit kunstvollen Zeichen und Mustern in Weiß und Ocker bemalt, die Ohren schmückten schwere Gehänge, und um ihre Fesseln lagen klappernde Holzketten. Ihr Kopfputz war aufwändiger als alles, was sie je in den Nachtklubs und Ballsälen Londons gesehen hatte, eine Pracht von Perlen und Federn.
    Die Frauen, perlengeschmückt und nackt bis auf kleine Dreiecke aus Grasgeflecht, wiegten sich im Feuerschein mit schwingenden Hüften und wippenden Brüsten geschmeidig zur Musik, während die Ältesten in einem eigenen Kreis beisammensaßen und zuschauten. Unablässig schlugen die Trommeln einen monotonen Rhythmus, zu dem die Tänzer sich im Einklang mit ihren langen, biegsamen Schatten in Drehungen und Sprüngen bewegten. Gras und Bäume, die ganze Welt schien aufzugehen in ihrem Tanz und im rollenden Rhythmus der Trommeln.
    «Hör dir die Trommeln an», sagte Frederick, und obwohl er sehr leise sprach, spürte Addie die Schwingungen seiner Stimme in ihrem Körper, als wäre hier, im Licht der Flammen, alles deutlicher, lebendiger. «Man spürt den Rhythmus durch und durch, nicht wahr?»
    «Es ist … faszinierend», sagte Addie. Was für ein farbloses, feiges Wort. Sie fühlte sich wie ertappt bei einem fast voyeuristischen Genuss, so sinnlich und erotisch war der Tanz. Frederick hatte recht. Die Musik erfasste den ganzen Körper, klopfte in einem wie ein zweiter erregender Puls, der alle Arten verbotener Freuden versprach. Sie hatte nichts getrunken, doch sie fühlte sich wie berauscht.
    «Komm, gehen wir ein Stück», schlug Frederick vor. Das Drängen in seinem Ton überraschte sie. Sie drehte sich zu ihm herum und sah in sein vom flackernden Flammenschein bewegtes Gesicht.
    «Aber die Gäste …», sagte sie schwach.
    Frederick blickte über seine Schulter zur Veranda, wo Bea Hof hielt und ihre Bewunderer gegeneinander ausspielte. Addie war sich ziemlich sicher, dass mindestens einer ihr Geliebter war, vielleicht sogar mehr als einer. Damals in Mayfair hatte sie die Anzeichen noch nicht lesen können, aber nun war sie erfahrener.
    «Die unterhalten sich glänzend.» Er bot ihr die Hand. «Wollen wir?»
    Sie hätte nicht auf den Vorschlag eingehen sollen, sie wusste es genau. Sie und Frederick sahen einander fast ständig – im Kaffeeschuppen, im Kinderzimmer bei den Kindern, bei Gängen durch die Felder –, aber immer bei Tageslicht und niemals allein.
    Sechs Monate waren seit ihrer Ankunft in Kenia vergangen, sechs Monate, in denen sie zusammen gearbeitet, diskutiert und geplant hatten. Addie hatte sich in ihrer Freundschaft gesonnt, stolz in dem Bewusstsein, dass sie reif genug waren, Vergangenes hinter sich zu lassen und einander freundschaftlich und auf gleicher Stufe zu begegnen, wie das in London nie gewesen war.
    Sie hatte die Anzeichen bewusst ignoriert: das lange Ausharren bei der Arbeit, nur um sich noch nicht trennen zu müssen; die zufällige Handberührung, wenn sie über den Büchern saßen; der Blick, den sie manchmal von Frederick auffing, wenn sie sich noch einmal umdrehte, nachdem sie gute Nacht gesagt hatte.
    Doch das hatte natürlich alles nichts zu bedeuten. Sie waren Freunde, nichts weiter.
    Sie konnte sich das immer wieder vorsagen, als ob ständiges Wiederholen die Wahrheit ersticken könnte: dass sie entbrannt war, in leidenschaftlicher Liebe entbrannt, und diesmal nicht zu einem Bild, sondern zu dem realen Menschen, dem Mann, den sie täglich sah, wenn er sich mit den Büchern herumschlug oder mit seinen Kindern spielte. Allein der Gedanke daran bereitete ihr Schmerzen. Sie wollte nicht daran denken. Wenn sie es verleugnete, war es auch nicht wahr.
    Der Rhythmus der Trommeln trieb sie vorwärts, in den Schutz der freundlichen Dunkelheit.
    «Also gut, aber nur ein kleines Stück», sagte sie. «Beim Feuer ist es so warm.»
    Es war nicht nur das Feuer, das ihr Blut erhitzte. Es war eine Art Wahnsinn. Sie wollte sich im Einklang mit den Tänzern bewegen, sich mitten in diesen Feuerkreis

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