Ashford Park
brachen wieder auf. «Wenn du wirklich so empfunden hättest, wenn du mich damals wirklich gewollt hättest …»
«Aber verstehst du denn nicht?» Seine Hände hielten ihre Schultern umfasst. «Damals hat nichts gestimmt. Ich habe mich nicht mehr zurechtgefunden in der Welt. Sie war auf den Kopf gestellt. Ich wollte dich nicht mit mir ins Unglück reißen. Ich war nur kurz davor, mir eine Pistole in den Mund zu stecken und abzudrücken, aber dann kam Marjorie und all das hier», sein Blick umschloss die schlafenden Felder. «Das hat mich endlich von meinem Wahn befreit. Ich bin aufgewacht und habe mich gefragt, was zum Teufel ich getan hatte. Ich habe mir dann vorgenommen, das Beste daraus zu machen. Aber dann kamst du. Und jetzt …»
«Es gibt kein Jetzt.» Addie sprach mit mehr Härte, als sie beabsichtigt hatte. Ihr Herz war wund, als sie daran dachte, wie es hätte sein können, wenn sie ihn nie mit Bea bekannt gemacht hätte. Doch sie hatte es getan, und er hatte sich von ihr abgewandt. Wie sollte sie ihm noch glauben? Wie sollte sie irgendetwas von dem glauben, was er sagte? «Es kann kein Jetzt geben.»
«Verdammt noch mal, Addie.» Seine Stimme klang so wild empört, dass sie vielleicht gelacht hätte, wäre sie den Tränen nicht so nahe gewesen. «Ich versuche, dir zu sagen, dass ich dich liebe.»
«Wie soll ich dir denn glauben?», fragte sie mit erstickter Stimme und versuchte, sich von ihm zu entfernen. Er hielt sie an beiden Armen fest.
«Ich liebe dich. Ich liebe dich», sagte er. Es klang wie eine Beschwörung. «Ich liebe es, wie du deinen Tee schlürfst …»
Addie fuhr auf. «Ich schlürfe meinen Tee nicht.»
«Doch, tust du», sagte Frederick zärtlich. «Du schlürfst beim Teetrinken, und du zwirbelst deine Haare, wenn du nervös bist, und wirst spitz, wenn du ärgerlich bist. Das alles liebe ich an dir. Ich liebe dich dafür, dass du du bist. Ich habe dich schon damals geliebt, als ich dich kaum kannte. Auch wenn ich ein viel zu großer Idiot war, um es zu erkennen. Und dieses Gefühl von damals ist nicht einmal ein Schatten dessen, was ich heute für dich empfinde. Wir sind füreinander bestimmt, du und ich, Addie, ob du es zugeben willst oder nicht.»
Das war eine ganz neue Art von Hölle, tausendmal schlimmer, als ihre Liebe jeden Tag aufs Neue hinter einer Maske von Freundschaft verstecken zu müssen. Offen zu bekennen …
«Das ist grausam», rief sie zornig. «Ich hätte nie …»
«Soll das heißen, dass du nicht genauso empfindest?»
Addie ballte die Hände. Sie war wütend, dass sie nicht antworten konnte, dass ihre Prinzipien, die man ihr in all den Jahren eingebläut hatte, der Anstand, die Schicklichkeit, all die Regeln von Tante Vera, all die Gebote vor diesem einen überwältigenden Verlangen verblassten. Sie begehrte ihn so sehr. Es hatte in den vergangenen Monaten Zeiten gegeben, wenn Bea wieder einmal irgendwo unterwegs gewesen war, da hatte Addie so getan, als gehörte alles ihr. Dies wäre ihre Kaffeeplantage, Marjorie und Anna wären ihre und Fredericks Kinder, und es wäre ihr gutes Recht, abends mit ihm auf der Veranda zu sitzen, den Kopf an seiner Schulter, seine Lippen an ihrem Haar.
«Siehst du?» Triumph schwang in Fredericks leiser Stimme.
«Aber es ist
unrecht
.» Das war das Einzige, woran sie sich noch klammern konnte, der letzte Strohhalm, der von ihren Prinzipien übriggeblieben war.
Frederick umschloss ihr Gesicht mit seinen Händen. «Recht, unrecht … was bedeutet das hier draußen?» Der Gedanke hatte hier, in der Wildnis, Tausende Meilen von der Zensur anderer entfernt, etwas ungeheuer Verführerisches. «Sag mir, dass es nicht recht ist.»
Sie hielt ihn fest, als er sie küsste, und ließ all ihre gemarterten Gefühle, alle Wünsche und alles Verlangen in diesen Kuss fließen. Sie spürte seinen Körper an ihrem und wusste, dass es kein Zurück gab. Sie mochte tun, was sie wollte, gehen, wohin sie wollte, niemals würde sie vergessen, was sie in diesem Moment empfand. Sie würde ihn nie wieder ansehen können, ohne zu wissen, wie es war, seinen Körper zu spüren, seine Hände in ihren Haaren, so schwindelerregend und drängend.
«Ich fahre nach Hause.» Zerzaust und keuchend riss Addie sich von ihm los. «Nach England.»
Nach Hause. Was für eine Lüge! England war nicht zu Hause, so wenig wie Ashford oder ihre alte Mietwohnung. Zu Hause war hier, bei Frederick. Aber es war nicht
ihr
Zuhause. War es nie gewesen. Sie hatte nur eine
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