Ashford Park
Weile so getan, sich ein Stückchen Glück aus einem fremden Leben gestohlen.
«Ich reise ab», sagte sie noch einmal, «sobald ich eine Schiffspassage bekomme.»
«Du meinst, du läufst weg», entgegnete Frederick.
Seine Worte bereiteten ihr einen ungeheuren Schmerz. Wie kam gerade er dazu, über sie zu urteilen? Er hatte schließlich damals mit Bea geschlafen. «Ich kann das nicht. Ich kann es Bea nicht antun und David auch nicht.» Sie hatte kaum an David gedacht, seit sie hier war, aber jetzt hielt sie ihn wie einen Schutzschild. «Ich kann nach dem heutigen Abend nicht mehr Freundschaft vortäuschen und so tun, als hätte sich nichts geändert. Ich fahre nach Hause.»
Blind drehte sie sich um. Der zarte Stoff von Beas altem Kleid blieb an einer Akazie hängen, ein heller Blütenschauer fiel herab.
«Sag mir nicht, dass du ihn heiraten willst», sagte Frederick scharf, in ungläubigem Ton.
«Warum nicht? Du hast ja auch Bea geheiratet.»
Addie zerrte an ihrem Rock, gleichgültig, als sie den Stoff reißen hörte, und rannte zum Haus zurück.
Kapitel 21
Kenia, 1927
D eine Cousine, die kleine sittsame Jungfrau», bemerkte Val.
Jetzt sah sie nicht sittsam aus. Bea beobachtete Addie, wie sie ums Haus herumkam, mit erhitztem Gesicht und zerwühlten Haaren. Heimliche Rendezvous hinter den Akazienbüschen? Das sah ihr so gar nicht ähnlich.
Ein Mann lief ihr mit großen Schritten nach. Bea konnte zuerst nicht erkennen, wer es war; der flackernde Feuerschein verzerrte die Gesichter. Er sagte etwas, doch Addie schüttelte nur den Kopf und rannte weiter. Er blieb allein zurück. Als er sich umdrehte, erkannte sie ihn, nicht an den Gesichtszügen, sondern an seiner Haltung und seinen Bewegungen.
Es war ihr Mann.
«Sie ist so rührend unschuldig», fuhr Val fort, während er seine Finger über Beas bloßen Rücken gleiten ließ. «Wie eine zarte Blüte an der Schwelle des Erwachens.»
Bea wandte sich ab und lehnte sich mit dem Rücken ans Geländer. «Hör auf, Val», sagte sie kurz. «Sie ist nicht der Typ für so etwas.»
Sie zog tief an ihrer Zigarettenspitze aus Jade und spürte mit Genuss das vertraute Brennen des Rauchs in ihrer Kehle.
Val beugte sich vor, seine Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger. «Eifersüchtig?»
Bea brachte ein überzeugendes Lachen zustande. «Darling, das kann nicht dein Ernst sein, hm?» Sie war eifersüchtig, ja, aber nicht so, wie Val es meinte. Sie bezweifelte, dass er es verstehen würde. Sie verstand es selbst nicht recht. «Raoul, Darling, da bist du ja. Und mit Champagner. Du bist wirklich ein Engel.»
«Nur das strahlende Licht deiner göttlichen Schönheit bringt mich zum Leuchten», sagte er. Im Gegensatz zu Val sagte er es nicht mit spöttischer Überheblichkeit.
«Oh, das strahlende Licht deiner göttlichen Schönheit?» Val zog eine Braue hoch. «Heißt das, dass du der Mond bist oder nur eine ziemlich große Sturmlampe?»
«Immer noch besser als eine zarte Blüte am Rand des Erwachens», versetzte Bea schärfer, als sie wollte.
«Autsch», murmelte Val. «Fühlt sich hier jemand ein bisschen welk?»
«Bestimmt nicht.» Vor Val durfte man niemals Schwäche zeigen. «Eher von der anwesenden Gesellschaft gelangweilt. Komm, Raoul, unterhalte mich. Ich brauche dich.»
«Natürlich.» Er bot ihr den Arm und ging mit ihr davon, nicht ohne Val noch mit einem finsteren Blick zu bedenken. Val lächelte nur. Natürlich. Val konnte nichts erschüttern. Er war gegen alle normalen menschlichen Gefühle gefeit. Wogegen sie …
In zwei Wochen hatte sie Geburtstag. Sie war fast achtundzwanzig. Bald dreißig, und nichts in ihrem Leben war so, wie es hätte werden sollen.
Alle hatten ihr immer gesagt, sie sei zu Großem geboren. Ihre Abstammung und ihre Schönheit würden ihr Schicksal bestimmen, hatten sie gesagt. Und so hatte es auch ausgesehen, damals in den berauschenden Tagen ihrer ersten Ballsaison, als alle Söhne der Freunde ihrer Eltern sich um jeden Tanz mit ihr rissen. Sie hatte es nicht nötig, sich dazu herabzulassen, um die Gunst anderer zu buhlen; alle buhlten um sie. Mit zwanzig war sie der Preis gewesen, den alle erobern wollten. Mit zweiundzwanzig war sie ruiniert. Und jetzt – jetzt saß sie hier mit ihren fast achtundzwanzig Jahren, und jeder wollte sie haben bis auf ihren Mann.
Sie hatte nicht erwartet, dass Frederick treu sein würde. Aber wenn er sie betrügen musste, warum dann ausgerechnet mit Addie?
«Ich wünschte, es wäre dir ernst»,
Weitere Kostenlose Bücher