Ashford Park
Pracht mit viel Chintz, Petit Point und Porzellanschäferinnen.
Hier war nirgends eine Porzellanschäferin zu sehen. Die Einrichtung war hell und modern und überraschend zweckmäßig: das weiße Sofa, ein Glastisch, ein blassblauer Teppich und an den Wänden abstrakte Seestücke, dafür hielt Clemmie sie jedenfalls. Eine Glastür führte auf einen kleinen Balkon mit einem Metalltisch und zwei Stühlen. Der ganze Raum wirkte freundlich und luftig und eher minimalistisch als überladen.
Ihre Mutter brachte ein ganzes Teeservice auf einem Lacktablett herein: Porzellankanne und Tassen, silbernes Teesieb, ein Teller mit Keksen und kleine Servietten, zu Dreiecken gefaltet.
«Die Wohnung ist toll», sagte Clemmie.
Ihre Mutter stellte das Tablett auf den Glastisch. «Ja, es ist schön, endlich etwas Eigenes zu haben.» Sie sah sich mit Befriedigung in ihrem kleinen Reich um. «Ich hatte mir noch nie eigene Möbel gekauft.»
«Auch nicht mit Dad?» Die Frage war heraus, bevor Clemmie es sich noch einmal überlegen konnte. Gespräche über ihren Vater waren immer tabu gewesen. Aber darum ging es ja jetzt gerade, oder nicht? Endlich Schluss zu machen mit den alten Tabus.
Anstatt ihr über den Mund zu fahren, sagte ihre Mutter nur: «Euer Vater hatte einen sehr eigenwilligen Geschmack. Und mit zwei kleinen Jungs konnte ich eigentlich nur schauen, dass alles möglichst stabil war.»
Ihre Mutter deckte den Tisch, hob den Deckel der Kanne, um zu sehen, wie weit der Tee war. Clemmie fiel auf, dass sie ihren Ehering nicht trug. Das wurde ja immer seltsamer. In den letzten Monaten hatte sich offensichtlich mehr getan als Möbeleinkauf.
«Ich muss mich bei dir entschuldigen», sagte Clemmies Mutter zu Clemmies Verblüffung und hängte das silberne Teesieb über die Tasse, die an Clemmies Seite des Tisches stand. «Ich habe mich falsch verhalten. Ich hätte viel früher mit dir über deine Großmutter reden müssen.»
Clemmie starrte ihre Mutter an und konnte es nicht fassen. Wie war es denn zu diesem Wandel gekommen? Sie hatte geglaubt, sie würde ihre Mutter allenfalls mit Gewalt dazu bringen, mit ihr über Granny zu sprechen.
«Danke», sagte sie. «Genau darüber wollte ich mit dir reden, ich meine, unter anderem», fügte sie schnell hinzu, um sich nicht den Vorwurf mangelnder töchterlicher Zuwendung einzuhandeln. «Ich versuche gerade, mehr über die Geschichte von Granny Addie und deiner Mutter zu erfahren.»
«Da gibt es nicht viel zu erfahren», sagte ihre Mutter kurz wie immer. «Tee?»
«Ja, bitte.» Clemmie wartete, während sie die dampfende Flüssigkeit in ihre Tasse goss. Ein altvertrautes Stück gab es in dieser neuen Welt ihrer Mutter doch: Granny Addies Teekanne. Sie war aus französischem Limoges-Porzellan, mit Gold an den Rändern und einem Streumuster aus blauen und violetten Blümchen. Tausendmal hatte sie Granny Addie in der alten Wohnung aus dieser Teekanne einschenken sehen.
Ihre Mutter nahm das Teesieb und hängte es über ihre eigene Tasse. «Tante Anna hat dir ihre Version ja bestimmt schon erzählt.»
«Ja», antwortete Clemmie. Wozu versuchen, es zu verheimlichen? Tante Anna hatte ihrer Mutter sicher berichtet, dass sie sich getroffen hatten. Clemmie hatte sich immer über die Beziehung zwischen ihrer Mutter und Tante Anna gewundert. Sie konnten einander nicht ausstehen, aber sie telefonierten jede Woche miteinander. «Sie ist überzeugt, dass Granny Addie eure Mutter vertrieben hat oder so was Ähnliches.»
Ihre Mutter schüttelte den Kopf. «Arme Anna», sagte sie zu Clemmies Überraschung. «Dass sie sich selbst so quält. Unsere Mutter hat uns verlassen.»
Clemmie blickte scharf von ihrem Tee auf. «Du meinst …»
«Nein, so meine ich das nicht. Ich habe mir natürlich, genau wie Anna, immer Gedanken gemacht.» Sie gab Milch in ihren Tee. Bei der Frage, ob Tee oder Milch zuerst in die Tasse sollten, trat Clemmies Mutter mit unerschütterlicher Entschiedenheit für ‹Tee zuerst› ein. «Ich meine, dass sie uns schon viel früher verlassen hatte. Wenn es nicht zu diesem Safari-Unfall gekommen wäre, wäre sie wahrscheinlich noch im selben Jahr mit irgendeinem Mann auf und davon gegangen. Ich war alt genug, um mitzubekommen, was vorging. Die meisten Leute achten nicht auf Kinder, wenn sie streiten.»
«Da warst du aber anders», sagte Clemmie. Die Scheidung ihrer Eltern hatte sie aus heiterem Himmel getroffen. Eben noch hatten sie mit ihrem Vater zusammen am Stadtrand von Los
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