Ashford Park
Sie spielten immer, die Rosen wüchsen, solange sie nicht hinschauten. Auf dem Boden lagen kleine Teppiche und Brücken, größtenteils ausgemusterte Stücke, genau wie das durchgesessene Sofa mit dem rissigen Seidenbezug, die ausladenden Chintzsessel und ein besonders unpraktischer Hocker mit vergoldeten Beinen, der häufig als Thron in Dienst genommen wurde.
An der einen Wand war ihre Menagerie: ein Igel namens Tiggy, ein recht schläfriges Kaninchen mit Namen Lapin und, der allgemeine Liebling, eine weiße Maus, die wenig einfallsreich Bianca hieß. Unter den Kindern allerdings war der Name schnell zu Binky gekürzt worden. Neben Binkys Käfig hatte Rosinante ihren Platz, das Schaukelpferd, das aus trüben Glasaugen kurzsichtig in die Welt des Spielzimmers blickte.
Manchmal fühlte es sich wie eine Ewigkeit an, als wäre das Spielzimmer eine eigene kleine Insel, von der Welt abgeschnitten; ähnlich wie Ashford selbst, unverändert und unveränderlich.
Genau das war es, was Bea so unerträglich fand. Sie trat mit ihrem Stiefel nach Rosie, dass diese heftig ins Schaukeln geriet. «Sie hätten uns wenigstens zum Essen runterkommen lassen können», murrte sie.
«Mit dreißig Leuten am Tisch und zwei davon Herzöge? Wohl kaum. Stell es dir einfach als Generalprobe vor», meinte Addie. «Was sie bei Dodo falsch machen, können sie dann bei dir richtig machen.»
Trotz all des Aufhebens um diesen Ball wussten sie alle, dass Dodo nur das Versuchskaninchen für Bea war. Bea besaß die ganze Lebendigkeit ihrer Mutter, und sie verfügte über jene schwer zu fassende Eigenschaft, die ihrer Mutter fehlte: das, was man bei Männern Charisma nannte und bei Frauen Charme.
«Ach, Dodo», sagte Bea. «Der macht das Ganze doch noch nicht einmal Spaß. Sie wäre glücklich und zufrieden, wenn sie hoch zu Ross zu ihrem Debüt einreiten könnte.»
Addie kicherte. «Ich sehe es vor mir. Wie der arme alte Euclid auf dem glatten Parkett herumrutscht. Badger würde einen Anfall bekommen.»
Badger war der Butler und ein sehr würdevoller Mann. Eigentlich hieß er Battinger, aber die Ashford-Kinder hatten daraus Badger gemacht, und Badger war er geblieben.
Immerhin konnte sich Bea darüber ein Lächeln abringen. «Das wäre ein Bild für Götter, ja. Ein Wunder, dass sie ihren Reitdress ausgezogen hat und in ein Ballkleid gestiegen ist. Und wir dürfen inzwischen hier oben verschimmeln.»
«Na ja, es ist wohl kaum das Château d’If.»
Bea wies mit theatralischer Geste zu Binkys Käfig. «Wir haben sogar eine Maus. Was für Beweise brauchst du noch dafür, dass das hier eine Art Gefängnis ist?»
Addie war ungerührt. «Hol einen Teelöffel, dann graben wir uns einen Weg frei.»
«Hahaha. Du willst doch auch zum Ball, Binkers, stimmt’s?», gurrte Bea über Binkys Käfig gebeugt. Sie holte die Maus aus ihrem behaglichen Nest aus Sägespänen. «Ich finde es einfach ungerecht, dass Edward darf und wir nicht.»
«Er ist fast achtzehn. Und er sieht unheimlich erwachsen aus.» Sie verspürte wieder dieses kleine Frösteln des Unbehagens. Sie hatte gehört, wie Onkel Charles sehr ernst mit Edward darüber gesprochen hatte, dass es vielleicht Krieg geben würde. Mit fast achtzehn würde Edward sicher ins Feld ziehen müssen. Unmöglich, sich vorzustellen, dass Edward, gerade von Eton abgegangen, Bataillone befehligte und Männer in die Schlacht führte.
«Ich sehe mindestens genauso alt aus wie er», behauptete Bea.
«Stimmt», sagte Addie langsam. Sie waren nur anderthalb Jahre auseinander, doch Bea sah mit ihren fünfzehn wesentlich älter aus als die kindliche dreizehnjährige Addie. «Aber deine Mutter würde dich auf der Stelle hinauswerfen.»
«Wir könnten uns als Diener verkleiden», meinte Bea mit Genuss.
«Ziemlich zwergenhafte Diener.»
«Du ja, ich nicht.» Bea nahm ihren Worten mit einer Umarmung die Spitze. «Dann eben als fahrende Musikanten.»
Addie schlug die Beine übereinander und drückte das schlimm zugerichtete Kissen an sich. «Mit riesigen Zwirbelbärten. Vergiss die Zwirbelbärte nicht.»
Von unten konnte sie hören, wie die Musiker ihre Instrumente für den Tanz stimmten, der Dodos feierlichem Eintritt in den Ballsaal und ins Erwachsenenalter folgen sollte.
Bea wanderte vom Sofa zum Fenster hinüber, das zum Park hinausblickte. Wie Sterne leuchteten die Lampions und bildeten Konstellationen, wie kein Astronom sie sich hätte träumen lassen. Sie streichelte Binky und blickte schweigend
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